onzert Dieser
deutsche Pianist galoppierte mit Begleitung des Orchesters. Von Tönen gewiegt,
irrte ich in einer Verträumtheit - Erinnerungen - dann wieder eine Angelegenheit,
die ich morgen erledigen soll - das Hündchen Bumfili, ein kleiner Foxterrier
. . . Unterdessen funktionierte das Orchester, der Pianist galoppierte. War
das denn ein Pianist oder ein Pferd? Ich hätte schwören mögen, daß es hier gar
nicht um Mozart ging, sondern nur darum, ob dies flinke Rennpferd Horowitz oder
Rubinstein schlagen wird. Die hier anwesenden Gecken und Dämchen beschäftigte
ausschließlich die Frage: von welcher Klasse ist dieser Virtuose, sind seine
Pianissimos denen Arraus ebenbürtig und seine Fortes auf der Höhe Guldas? Mir
träumte also, dies sei ein Boxmatch, und ich sah, wie er mit seitlicher Passage
Brailowski mit einem Schwinger erledigte, Gieseking mit Oktaven bearbeitete,
mit einem Triller Solomon knockout schlug. Pianist, Pferd oder Boxer? Da schien
es mir, es sei ein Boxer, der sich auf den Rücken Mozarts geschwungen hat, auf
Mozart reitet, auf ihn einschlagend und einbauend und ihm die Seiten mit den
Sporen bearbeitend und stechend. Was ist? Er ist am Ziel! Bravos, Bravos, Bravos!
Der Jockei sprang vom Pferd und verneigte sich, die Stirn mit dem Taschentuch
wischend. - (
gom
)
Konzert (2)
Die nackten Stühle horchen sonderbar beängstigend und still,
als gäbe es Gefahr. Nur manche sind mit einem Mensch bedeckt.
Ein grünes Fräulein sieht oft in ein Buch. Und einer findet
bald ein Taschentuch. Und Stiefel sind ganz gräßlich angedreckt.
Aus offnem Munde tönt ein alter Mann. Ein Jüngling blickt
ein junges Mädchen an. Ein Knabe spielt an seinem Hosenknopf.
Auf einem Podium schaukelt sich behend ein Leib bei einem
ernsten Instrument. Auf einem Kragen liegt ein blanker Knopf.
Kreischt. Und zerreißt.
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- Alfred Lichtenstein, nach (
mus
)
Konzert (3) Am Abend war der Saal dicht
gefüllt; in den Logen und im Parkett glänzte »Tout Paris« in eleganten Toiletten
wie bei einer großen Premiere. Alle wollten sehen, wie ein Dadaist aussieht,
wenn er gewaschen und gekämmt ist. Die Künstler erschienen auch in grünsamtenen
Jacken, fliegenden roten Seidenschlipsen und geradezu abenteuerlichen Bart-
und Haarmähnen. Aber kein Friseur war zu erblicken. Die Dadaisten begannen ihre
Vorstellung, schrien und lärmten, ließen Kinderballons im Saal herumfliegen,
lallten und tollten nach Babyart. Aber das Publikum blieb todernst und wartete
darauf, daß die Dadaisten sich die Haare schneiden lassen würden, denn das war
das Einzige, was in dem Programm interessierte. Rufe danach wurden laut, und
schließlich war nichts mehr zu hören als die im Chor ausgestoßenen Worte des
Publikums: »Laßt euch die Haare schneiden! Laßt euch die Haare schneiden!« Dieser
Chor der Rache war von einem Regen von Mohrrüben und Tomaten begleitet, die
so dicht auf die Bühne niederprasselten, daß das »Konzert« einen jähen und unvorhergesehenen
Abschluß fand. C. K. BERLINER BÖRSEN-COURIER Nr. 254, 3. 6.
1920 - Nach: Walter Serner, Das Hirngeschwür. DADA. Werke Bd. II.
Hg.
Thomas Milch. München 1988
Konzert (4)
Gastrisches Konzert
Du mußt entschieden ein Fagott verschluckt haben.
In deinem Bauche geht so etwas wie eine
Schönberg-Sonate vor sich. Schon diese klangvollen
Pausen zwischen den primitiven Takten! Kurzer Triller: ich
erkenne natürlich die Hummermayonnaise wieder. O
du mein Chambertin, du erhabenes Fagott! „Still ruht der See
—", du sanfte Masse Entrecôte! „Und so woll'n wer noch
mal, woll'n wer noch mal —!", heiliger Stilton-Käse! Ultraviolett
verklingt leise die Harfe deines Leibes. Noch einmal ein tändelndes
Allegro. Zerfließen in ein Pastorale,
D-dur.
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Alfred Richard Meyer, Der große Munkepunke. Gesammelte Werke, Hamburg 1924
Konzert (4)
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Thomas
Rowlandson