rnennung Das
Meisterstück lieferte Baader,
als er von Hausmann und anderen Instruktoren umgeben auf der Straßenbahn
nach Steglitz den Reichstagsabgeordneten Philipp
Scheidemann erspähte. Scheidemann blieb auf der hinteren Plattform der
Bahn durch Baader und seine Gefolgschaft eingeschlossen. Baader, der sich einen
pastoralen Vollbart zugelegt hatte, hielt eine Ansprache, mit einer dröhnenden
Stimme, die straßenweit zu hören war, und ernannte Philipp Scheidemann zum Ehren-Dada.
Scheidemann wußte nicht, wie sich verhalten - schließlich sprach das „Volk"
zu ihm, er war sehr verlegen, und es dauerte geraume Zeit, bis er entweichen
konnte. Wenige Wochen darauf wurde Philipp Scheidemann zum Reichskanzler der
Republik ausgerufen.
- Franz Jung, Der Weg nach unten. In: Franz Jung, Schriften, Bd. 1,
Salzhausen / Frankfurt am Main 1981
Ernennung (2)
Im Sommer 1917 hatten Franz Jung und Raoul Hausmann
den Plan gefaßt, das „stumme Erstarren der großen Masse" zu unterbrechen
und die „allgemeine Unterordnungs-Situation" durch gezielte Aktionen zu
irritieren: dazu erschien ihnen „ein Besessener wie Baader
der geeignete Exponent". „Ich ging mit ihm auf die Felder von Südende,
wo Jung damals wohnte", so Hausmann, und sagte ihm: „ ,Dies alles
ist Dein, wenn Du tust, was ich Dir sage. Der Bischof von Braunschweig
hat Dich nicht anerkannt, Du hast dafür seine Kirchen verunreinigt — dies ist
keine Kompensation. Ich will Dich über die Menschen setzen. Jedem steht es frei,
göttlich zu sein. Du bist ab heute Präsident der Christus G.m.b.H. und hast
Mitglieder zu werben. Du mußt jeden überzeugen, daß auch er, wenn er nur will,
Christus ist, gegen Zahlung von 50 Mark. Als Mitglied unserer Gesellschaft ist
er nicht mehr der weltlichen Obrigkeit Untertan und wird automatisch dienstuntauglich.
Du erhältst von mir einen Purpurmantel, und wir veranstalten auf dem Potsdamer
Platz eine Echternacher Springprozession. Vorher werde ich Berlin mit Bibeltexten
überschwemmen - auf allen Litfaßsäulen wird zu lesen sein: ,Wer
das Schwert wählt, wird durch das Schwert umkommen'.' Zwar war Baader
gänzlich einverstanden, Jung aber gab nicht das Geld, das er uns versprochen
hatte. So unterblieb die Prozession. - Karl Riha, Nachwort
zu: Johannes Baader, Das Oberdada. Siegen 1987 (Vergessene Autoren der Moderne
XXXI)
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