Theologie, ägyptische   „Die Symbole haben uns nie gehindert, an einen Gott zu glauben, der über allen anderen steht", erläuterte uns Chäremon. „Thots Schriften bestätigen das. Er drückt sich so aus: .Dieser einzige Gott verharrt unbewegt im Alleinsein seiner Einheit, Weder das Intelligible noch sonst etwas ist ihm beigemengt. Er ist sein eigener Vater, er ist sein eigener Sohn und der alleinige Vater Gottes. Er ist das Gute, er ist die Quelle des Alls und die Wurzel der intelHgiblen Ideen der ersten Wesenheiten.

Dieser alleinige Gott erklärt sich aus sich selbst, weil er sich selbst genügt. Er ist das Prinzip, der Gott der Götter, der Einfache aus dem Einen, der vor der Wesenheit existiert und das Prinzip der Wesenheit bildet. Denn erst aus ihm stammt die Wesenheit des Seins und das Sein, weshalb er auch Vater des Seins genannt wird.'

Ihr seht also, meine Freunde", fuhr Chäremon fort, „daß man über die Göttlichkeit keine erhabeneren Vorstellungen haben kann als die unseren; doch wir hielten uns für berechtigt, auch einen Teil der Attribute Gottes und seiner Beziehungen zu uns zu vergöttlichen und daraus besondere Gottheiten oder, besser gesagt, göttliche Kräfte zu machen.

So nennen wir die Vernunft Gottes ,Emeph', und wenn sie sich in Worten äußert, heißt sie ,Thot' (Beredung) oder ,Ermeth' (Deutung).

Wenn die Vernunft Gottes, die die Wahrheit behütet, sich der Erde zuwendet und die Fruchtbarkeit wirken läßt, wird sie ,Amun' genannt.

Wenn die Vernunft Gottes sich auch mit Hilfe der Kunst äußert, heißen wir sie ,Ptah' oder ,Vulkan'. Äußert sich die Vernunft in höherem Maße in Gestalt der Güte, so wird sie ,Osiris' genannt.

Wir betrachten Gott als ein einziges Wesen, doch da er geruht, eine unendliche Fülle gütiger Beziehungen mit uns zu unterhalten, glaubten wir, wir dürften ihn, ohne unfromm zu werden, als eine Vielheit betrachten. Denn er ist in der Tat vielfach und unendlich vielgestaltig in den Eigenschaften, die wir an ihm wahrnehmen können.

Was die Geister betrifft, so glauben wir, daß jeder von uns deren zwei hat, einen guten und einen bösen. Die Seelen der Helden haben manches mit den Geistern gemein, besonders jene Seelen, die im Rang am höchsten stehen.

Die Götter können sich ihrem Wesen nach mit dem Äther vergleichen, die Helden und die Geister mit der Luft, und die einfachen Seelen scheinen uns der Erde ähnlich. Die göttliche Vorsehung vergleichen wir mit dem Licht, das alle Räume der Welten erfüllt.

Alte Überlieferungen sprechen auch von verkündenden Mächten, von Engeln, deren Pflicht es ist, die Befehle Gottes zu überbringen, und es ist von anderen Mächten die Rede, von Mächten höheren Ranges, die von den helleni-sierenden Juden Archonten oder Erzengel genannt werden.

Diejenigen unter uns, die die Priesterweihe empfangen haben, glauben sich im Besitze der Macht, die Götter, Geister, Engel, Helden und Seelen herbeizurufen; doch sie können diese Beschwörungen nicht vornehmen, ohne ein wenig die Ordnung des Alls zu stören.

Wenn die Götter sich auf die Erde herablassen, verbirgt sich die Sonne oder der Mond für einige Zeit vor den Blicken der Sterblichen,

Die Erzengel sind von strahlenderem Licht umgeben als die Engel; die Seelen der Helden haben weniger Glanz als die der Engel, aber mehr als die Seelen der gewöhnlichen Sterblichen, die sehr vom Schatten verdunkelt bleiben.

Die Fürsten des Zodiakus bieten sich in überaus prächtiger Gestalt dar. Es gibt zudem unendlich viele besondere Umstände, die das Erscheinen dieser verschiedenen Wesen begleiten und die dazu dienen, sie voneinander zu unterscheiden. Die bösen Geister zum Beispiel sind an den schlechten Einflüssen zu erkennen, die ihnen stets folgen. Über die Götterbilder glauben wir, daß man, wenn sie bei einem bestimmten Stand der Gestirne sowie unter gewissen theurgischen Zeremonien hergestellt werden, manche Teile des göttlichen Wesens auf sie herabziehen kann. Doch diese Kunst ist so trügerisch und der wahren Gotteserkenntnis unwürdig, daß wir sie Priestern überlassen, deren Rang weit unter dem liegt, dem anzugehören ich die Ehre habe.

Wenn einer unserer Priester die Götter anruft, macht er sich in gewisser Weise an ihrem Wesen teilhabend. Er hört deswegen nicht auf, Mensch zu sein, doch das göttliche Wesen dringt in einem bestimmten Maße in ihn ein. Er vereint sich in gewisser Weise mit seinem Gott. Befindet er sich in diesem Zustand, so fällt es ihm leicht, den dunklen und irdischen Geistern zu gebieten und sie aus den Körpern auszutreiben, in die sie Eingang gefunden haben. Zuweilen bereiten unsere Priester aus Steinen, Kräutern und tierischen Stoffen eine Mischung, die geeignet ist, die Gottheit zu empfangen; doch das wahre Band, das den Priester mit seinem Gott verbindet, ist das Gebet.

All die Riten und Lehrsätze, die ich euch erklärt habe, schreiben wir nicht Thot oder dem dritten Merkur zu, der unter Osymandias lebte. Vielmehr ist nach unserer Meinung der Prophet Bitys ihr wirklicher Schöpfer; seine Zeit lag zweitausend Jahre zurück, und er hat die Ansichten des ersten Merkur erläutert. Doch ich sagte euch bereits, daß die Zeit manches daran verändert und manches hinzugefügt hat, und ich glaube nicht, daß diese alte Religion ohne spätere Zutat auf uns gekommen ist.

Wenn alles gesagt werden soll, mögt ihr schließlich auch dies erfahren: Unsere Priester wagen es zuweilen, Drohungen gegen die Götter zu gebrauchen. Sie drücken sich dann während des Opfers etwa so aus: .Wenn du mir nicht das gewährst, worum ich dich bitte, werde ich das Verborgenste an Isis enthüllen, ich werde die Geheimniese der Tiefe den Menschen entdecken, ich werde den Schrein des Osiris zerbrechen und seine Teile zerstreuen.' " - (sar)

Theologie Ägypter

Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 

Unterbegriffe

VB

 

Synonyme