ernunft Meine
Träume sind sehr vernünftig. In einem beispielsweise stand ich auf dem Sunset
Boulevard, unter Bäumen, und wartete auf ein Taxi, ein Yellow Cab. Ich wollte
zum Mittagessen fahren. Es gab aber keine Yellow Cabs, alle Autos waren von
1916. Da sagte ich zu mir: »Es ist ganz überflüssig, hier Wurzeln zu schlagen
und auf ein Yellow Cab zu warten. Ich träume ja doch nur einen Traum von 1916.«
Dann bin ich zu Fuß zu dem Restaurant gegangen. - Alfred Hitchcock, in:
François Truffaut, Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? München 1973 (zuerst
1966)
Vernunft (2) Die Affekte der Hoffnung und Furcht können nicht an sich gut sein.
Beweis. Es gibt keine Affekte der Hoffnung und Furcht ohne Unlust; denn Furcht ist Unlust, und Hoffnung gibt es nicht ohne Furcht, und daher können diese Affekte nicht an sich gut sein, sondern nur, insofern sie das Übermaß der Lust einschränken können. W. z. b. w.
Anmerkung.
Hierzu kommt, daß diese Affekte einen Mangel der Erkenntnis und ein
Unvermögen des Geistes anzeigen, und aus dieser Ursache sind auch
Zuversicht, Verzweiflung, Freude und Gewissensbiß Zeichen der Ohnmacht
der Seele. Denn obgleich Zuversicht und Freude Affekte der Lust sind,
so setzen sie doch voraus, daß ihnen Unlust, nämlich Hoffnung und
Furcht, vorangegangen ist. Je mehr wir daher streben nach der Leitung
der Vernunft zu leben, um so mehr streben wir danach, weniger von der
Hoffnung abzuhängen, uns von der Furcht zu befreien, das Schicksal, so
viel wir vermögen, zu beherrschen, und unsere Handlungen nach dem
sicheren Ratschlusse der Vernunft einzurichten. -
Spinoza,
Ethik
Vernunft (3) Die
Vernunft ist weiblicher Natur: sie kann nur geben, nachdem sie empfangen hat.
Durch sich selbst allein hat sie nichts, als die gehaltlosen Formen ihres Operirens.
Vollkommen reine Vernunfterkenntniß giebt es sogar keine andere, als die vier
Sätze, welchen ich metalogische Wahrheit beigelegt habe, also die Sätze von
der Identität, vom Widerspruch, vom ausgeschlossenen Dritten und vom zureichenden
Erkenntnißgrunde. - (wv)
Vernunft (4) Die Gemütsneigungen machen
und zerstören alles. Wenn die Vernunft über die Welt
herrschen möchte, so würde nichts auf derselben vorgehen. Man sagt, daß sich
die Schiffer vor den stillen Meeren aufs äußerste fürchten sollen und daß sie
sich Wind wünschen, ob gleich die Gefahr eines Ungewitters dabei zu besorgen
ist. Die Gemütsbewegungen sind bei dem Menschen die Winde, welche notwendig
sind, alles in Bewegung zu setzen, ob sie gleich
bisweilen Sturm und Ungestüm erregen. - Herostrat in Fontenelles
Totengesprächen, nach: Hans Blumenberg, Schiffbruch mit Zuschauer. Frankfurt
am Main 1988
Vernunft (5)
Vernunft (6) Im Intellekte und im Willen £eigt sich die Vernunft als Klang der Seele. Sie vollendet Gottes- oder Menschenwerk. Der Klang
hebt nämlich das Wort empor, wie der Wind den Adler aufhebt, so daß er
fliegen kann. In gleicher Weise entsendet auch die Seele im Gehöre und
Intellekte des Menschen den Ton der Vernunft, so daß seine Kräfte
Einsicht gewinnen und daß jeglich Ding /u Ende geführt wird. Der Leib
ist das Gezelt und die Hilfe für alle Seelenkräfte. Bleibt die Seele im
Leibe, so wirkt sie Gutes oder Böses mit ihm und er mit ihr. - (bin)
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