tiefmutter  Bald öffnete sich die Tür, und meine Stiefmutter trat ein; sie trug ein leichtes Nachtgewand und hielt eine Kerze in der Hand. Auf Zehenspitzen näherte sie sich meinem Lager, den Finger auf den Mund gelegt, als gebiete sie mir Schweigen. Dann stellte sie die Kerze auf mein Nachttischchen, setzte sich auf mein Bett, nahm meine Hand und sprach also: „Mein lieber Pacheco, dies ist der Augenblick, da ich dir die Freuden verschaffen kann, die ich dir versprochen habe. Vor einer Stunde sind wir in dieser Schenke angekommen. Dein Vater ist in das Pachtgut gegangen, um dort zu schlafen, aber da ich erfahren habe, daß du hier bist, erhielt ich die Erlaubnis, mit meiner Schwester InesiIIa die Nacht hier zu verbringen. Sie erwartet dich und ist bereit, dir nichts zu verwehren; aber ich muß dir die Bedingungen nennen, die deinem Glücke gesetzt sind. Du liebst Inesilla, und ich liebe dich. Es sollen nicht von uns dreien zwei auf Kosten des Dritten glücklich sein. Ich verlange, daß uns das gleiche Bett diese Nacht aufnehme. Folge mir!"

Meine Stiefmutter ließ mir keine Zeit, ihr zu antworten; sie nahm mich an der Hand und führte mich durch viele Korridore, bis wir schließlich an einer Tür anlangten, wo sie durchs Schlüsselloch zu spähen begann.

Als sie genug beobachtet hatte, sprach sie zu mir: „Alles geht gut. Sieh selbst!"

Ich nahm ihren Platz am Schlüsselloch ein und erblickte tatsächlich die schöne Inesilla im Bett; doch wie fern war sie von jener Zurückhaltung, die ich immer an ihr beobachtet  hatte. Der Ausdruck ihrer Augen, der erregte Atem, die geröteten Wangen, ihre ganze Haltung - alles an ihr deutete darauf hin, daß sie einen Liebhaber erwartete.

Camila ließ mich lange beobachten und sagte dann: „Lieber Pacheco, bleib an der Tür; wenn es Zelt ist, will ich dich holen."

Sie ging hinein, ich aber legte abermals das Auge ans Schlüsselloch und erblickte tausend Dinge, die ich nur mit Überwindung zu erzählen vermag. Zuerst entkleidete sich Camila ziemlich sorgfältig, dann sprach sie, während sie sich zu ihrer Schwester ins Bett legte: „Meine liebe Inesilla, ist es wirklich wahr, daß du einen Liebhaber möchtest? Armes Kind, du weißt nicht, was er dir Böses antun wird. Er wird dich niederwerfen, pressen, dich zermalmen und zerreißen."

Als Camila glaubte, daß sie ihre Schülerin genügend belehrt habe, öffnete sie mir die Tür, führte mich ans Bett ihrer Schwester und legte sich mit uns nieder.

Was soll ich Ihnen von jener unglückseligen Nacht berichten? Ich habe die Wonnen wie die Todsünden bis zum Grunde ausgeschöpft. Lange kämpfte ich gegen den Schlaf und gegen die Natur, um die höllischen Genüsse noch zu verlängern. Endlich schlief ich ein, und ich erwachte am nächsten Morgen unter dem Galgen der Brüder Zotos, zwischen den beiden abscheulichen Leichen liegend. - (sar)

Stiefmutter (2) Die Königin ging heim, und noch am selben Abend, als der König von der Jagd zurückkam, fragte sie ihn nach seinen drei Söhnen.

»Rufe sie heim«, bat sie ihn, »und du wirst sehen, ich werde sie liebhaben, als seien es meine eigenen Kinder.« Der König ließ die drei Söhne heimkommen und bereitete ein großes. Fest zu ihrem Empfang, und alle Leute im Land freuten sich, die drei Prinzen wiederzusehen. Nach dem Fest forderte die Königin jeden der drei Brüder zu einem Schachspiel heraus. Sie spielte mit jedem drei Spiele, gegen die beiden älteren Brüder gewann sie immer, nur die Spiele gegen den Jüngsten verlor sie, aber mit Absicht, damit es nicht auffiel, daß sie ein Zauberbrett benutzte. An diesem Abend kam der älteste unter den drei Prinzen zu ihr und sprach: »Wir haben beim Schachspiel verloren, nun sag, was verlangst du von mir und meinen Brüdern für deinen Sieg?«

»Ich verlange von euch«, sprach die Königin, »daß ihr nicht zweimal unter demselben Dach schlaft, noch zweimal am selben Tisch eßt, ehe ihr mir nicht die drei Stuten des Königs Conal heimgebracht habt, auf denen will ich dreimal um die Grenzen des Königreiches reiten.« »Wo, o Königin, finden wir die Pferde des Königs Conal?« »Es gibt vier Himmelsrichtungen«, sprach die Königin, »in einer der vier Himmelsrichtungen werdet ihr sie gewiß finden.«

»Wir nehmen diesen Auftrag an, aber dich stellen wir unter einen Bann«, sagte der älteste Bruder, »bis wir mit den Pferden zurückkommen, sollst du auf dem Turm des Schlosses stehen und dich nicht mehr von der Stelle bewegen.« »Nehmt diesen Bann zurück«, bat die Königin, »und ich will auch meine Strafe zurücknehmen.«

»Wenn ein junger Mann von der ersten Strafe freigesprochen wird, die über ihn verhängt ist, so nimmt das nie ein gutes Ende«, antwortete der Sohn des Königs, »wir wollen in die Welt ziehen und nach den Pferden suchen.« - Der Schwarze Dieb, in: (irm)

Stiefmutter (3)  Die 59 Jahre alte Entertainerin Liza Minelli hat das Haus ihres verstorbenen Vaters verkauft - mitsamt ihrer 98-jährigen Stiefmutter Lee Minnelli. Für 3,5 Millionen Dollar habe das 1925 erbaute Haus seinen Besitzer gewechselt, berichtete die "Los Angeles Times". Lee Minnelli will dort wohnen bleiben. Die neuen Besitzer seien einstweilen bereit zu warten, hieß es. - AFP, nach: Berliner Zeitung vom 22. Februar 2006

Stiefmutter (4) Machte sie sich nicht, wenn es sie überkam, ein Vergnügen daraus, mir zu erzählen, daß meine Mutter sich auf Fiakerfahrten vornehmen ließ? Sie ging in die Einzelheiten, hatte tolle Ausdrücke dafür. Nicht weniger an Detail pflegte sie zu sparen, wenn ich helfen mußte, ihr Bett zu machen, und sie mir die Caressen schilderte, mit denen sie meinem Vater aufwartete. Sie spitzte dabei den Mund auf eine höchst ausdrucksvolle Art. — — —

Nun, trieben die beiden es denn so außerordentlich? Ich weiß nicht, wie der Leser darüber urteilt — ich jedenfalls habe mich später gründlich vom, Gegenteil überzeugt. Damals freilich war ich wenig ermutigend, wie immer meine künftige Stiefmutter sich anstellte. Hermetisch verschlossen gegenüber solchen Dingen, hörte ich zu, ohne die Andeutungen zu begreifen; sie verschoß ihr Pulver umsonst. Und das bei einem solchen Vater mit all den Frauen, die am Morgen aus seiner Kammer herunterstiegen, und den aufgeweckten Mädchen, mit denen ich im Hof spielte. Da sieht man den »Einfluß des Milieus«.

Auch zwei, drei Jahre später hatte ich von der Praxis der Liebe nicht einmal eine Vorstellung. Was immer gewiegtere Kameraden mir davon ausmalten, erschien mir so bizarr, daß ich die Realität ablehnte.

Meine künftige Stiefmutter fühlte sich berufen, dem abzuhelfen, ganz ohne Hemmungen. So entsinne ich mich eines gewissen Nachmittags, an dem sie mich, angeblich, um sie zu flicken, die Hose ausziehen ließ und mich dann in der Ecke herumwirbelte, in der ich ahnungslos wartete, die Beine in eine Decke gehüllt. Am Abend kam sie, um mich in meinem Bett zu behelligen und mir das Laken herunterzuziehen — länger als eine Stunde und trotz meinen Anstrengungen, mich ihrer zu entledigen. Ich entsinne mich auch jenes Winterabends in ihrem Zimmer, schon in Courbevoie — ich war damals vierzehn oder fünfzehn Jahre alt. Wir saßen beide schweigend vor dem Kamin. Ich sehe uns noch: sie an der Fensterseite, ich in der anderen Ecke auf meinem Stuhl, an einen Spieltisch gelehnt. Ich hatte nicht bemerkt, daß meine Hose in Unordnung war. Sie machte mich darauf aufmerksam — zunächst in vorwurfsvollem Ton, und dann — — — »Endlich mal eine schicke Stiefmutter«, werden Leser sagen, denen es an der nötigen Moral fehlt. Das war und ist nicht mein Fall. So führten diese Spielereien nicht weiter hinaus.   - Paul Léautaud, In memoriam. Übs. Ernst Jünger. Stuttgart, Zürich 1980 (zuerst 1905)

Stiefmutter (5)

Mutter Märchen
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