Stadt, unpreußische  Warschau war zur Zeit, als Hoffmann dorthin berufen wurde, ein Aufenthalt, der einen Geist wie den seinigen auf die mannigfaltigste Weise anregen mußte. Die deutsche Herrschaft hatte es nicht zu einem deutschen Orte gemacht; vielmehr trug es ein höchst fremdartiges, man möchte sagen außereuropäisches Gepräge; so daß der aus Preußen, dem wohlgeordneten, sogenannten »alten Lande«, in diese neue Welt Versetzte in den ersten Wochen aus dem Staunen nicht herauskam. Die Straßen von stattlicher Breite, gebildet aus Palästen im schönsten italienischen Geschmack und aus Holzhütten, die ihren Einwohnern jeden Augenblick über dem Kopfe zusammenzustürzen drohen; in diesen Gebäuden asiatischer Prunk mit grönländischem Schmutz im seltsamsten Verein; ein immer bewegtes Publikum, die schneidendsten Kontraste bildend wie in einem Maskenzuge; langbärtige Juden und Mönche in allen Ordenstrachten, ganz verschleierte, tief in sich gekehrte Nonnen von der strengsten Regel, und über weite Märkte hinüber konversierende Scharen junger Polinnen in den hellfarbigsten seidenen Staubmänteln; ehrwürdige alte polnische Herren mit Schnurrbärten, Kaftan, Paß (Gürtel), Säbel und gelben oder roten Stiefeln und das neue Geschlecht in den incroyablesten Pariser Moden, Türken und Griechen, Russen, Italiener und Franzosen in immer wechselnder Menge; dazu eine über allen Begriff tolerante Polizei, die keiner Volkslust störend in den Weg trat, so daß sich kleine Pulcinellen-Theater, Tanzbären, Kamele und Affen unaufhörlich auf Plätzen und in den Gassen bewegten, vor denen die elegantesten Equipagen wie der Packträger gaffend stille standen.  - E.T.A. Hoffmanns Leben und Nachlass. Von Julius Eduard Hitzig. Frankfurt am Main 1986 (it 1986, zuerst ca. 1825)
 
 

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