taliener
Benda, der einst bei einer übertriebenen Lobpreisung der Italiener auf
Kosten der Deutschen um seine Meinung betragt wurde, sagte: "Ich muß gestehen,
in Italien einige treffliche Menschen und in Deutschland einige Schurken gekannt
zu haben." Die bekannte Liste der sieben Kardinalsünden verlegte den Hochmut
nach Genua, den Geiz nach Florenz (unsere alten Deutschen waren anderer Meinung
und nannten das, was man "griechische Liebe" nennt, "florenzen"),
die Üppigkeit nach Venedig, den Zorn nach Bologna, die
Fresserei nach Mailand, den Neid nach Rom und die Faulheit
nach Neapel, das die schönste Stadt der Welt wäre, wenn der Fremde taub und
die Einwohner stumm wären. Italiener galten einst für die größten Politiker
in der Theorie, zur Zeit, wo man Politik in Überlistung setzte, aber wenige
Länder waren schlechter regiert als Italien, wenn wir allenfalls Toscana und
San Marino ausnehmen. Es war eine Zeit, wo sie so gut als Griechen und Römer
berechtigt waren, alle ihre Zeitgenossen "Barbaren"
zu nennen, aber was sind sie jetzt? - (
kjw
)
Italiener (2) So wie der Franzose im Konversationsgeschmack vorzüglich ist, so ist es der Italiener im Kunstgeschmack. Der erstere liebt mehr die Privatbelustigungen, der andere öffentliche: pompöse Aufzüge, Prozessionen, große Schauspiele, Karnevals, Masqueraden, Pracht öffentlicher Gebäude, Gemälde mit dem Pinsel oder in musivischer Arbeit gezeichnet, römische Altertümer im großen Stil; um zu sehen und in großer Gesellschaft gesehen zu werden. Dabei aber (um doch den Eigennutz nicht zu vergessen): Erfindung der Wechsel, der Banken und der Lotterie. - - Das ist seine gute Seite: so wie die Freiheit, welche die Gondolieri und Lazzaroni sich gegen Vornehme nehmen dürfen.
Die schlechtere ist: sie konversieren, wie Rousseau sagt, in Prachtsälen
und schlafen in Ratzennestern. Ihre Conversazioni sind einer Börse ähnlich,
wo die Dame des Hauses einer großen Gesellschaft etwas zu kosten reichen läßt,
um im Herumwandeln sich einander die Neuigkeiten des Tages mitzuteilen, ohne
daß dazu eben Freundschaft nötig wäre, und mit einem kleinen daraus gewählten
Teil zur Nacht ißt. - Die schlimme aber: das Messerziehen, die Banditen, die
Zuflucht der Meuchelmörder in geheiligten Freistätten, das vernachlässigte Amt
der Sbirren u.d.g.: welche doch nicht sowohl dem Römer, als vielmehr seiner
zweiköpfichten Regierungsart zugeschrieben wird. - Dieses sind aber Beschuldigungen,
die ich keinesweges verantworten mag und mit denen sich gewöhnlich Engländer
herumtragen, denen keine andere Verfassung gefallen will als die ihrige. -
Immanuel Kant, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (1798)
Italiener (3) In jenem Land sind
die Herzen recht verschieden von den Herzen der Franzosen.
Die Italiener sind aufrichtig, gutmütig, und wenn man sie nicht kopfscheu macht,
sagen sie alles genau so, wie sie es denken. Eitel sind sie nur, wenn es sie
gerade so ankommt. Dann aber wird ihre Eitelkeit
zu einer wahren Leidenschaft und wird als Puntiglio bezeichnet. -
Stendhal, Vorwort zu: Die Kartause von Parma (1839)
Italiener (4) Vous connaissez peu
ce peuples-ci; ils ne meritent pas, qu'on fasse tuer quarante mille Français
pour eux. Je vois par vos lettres, que vous partez toujours d'une fausse hypothese,
vous vous imaginez, que la liberté fait faire de grandes choses à un peuple
mou, superstitieux, pantalon et lache. -
Napoleon
an Talleyrand, 1797, nach
(
heb
)
Italiener (5) Sie bekamen ein Kind,
das sie Francesco nannten. Sie hatten die ›Gabe‹ zu leben, hatten jenen
italienischen Genius - den aber nicht alle Italiener haben - sich zu bewegen,
zu gehen und zu lächeln wie vom Mittelmeer benetzt. Die Sonne der Adria
macht viel aus, aber sie ist nicht wie das Mittelmeer in den Körpern und
Bewegungen echter Italiener. Dies gab ihnen ein starkes Gefühl von Vertrautheit,
auch wie zwischen Bruder und Schwester, und von immer größerem stillem
Einvernehmen. Dieses Einvernehmen war einer großen Natürlichkeit zu verdanken,
die vielleicht von den Ehen ihrer Urgroßeltern und Großeltern herrührte
und von gemeinsamen Bewegungen abhängt, die man in der Jugend auf demselben
Land hat, wenn man nahe beieinander im Hause ißt und schläft. - Goffredo Parise,
Alphabet
der
Gefühl
e.
Berlin 1997 (zuerst 1972, 1982)
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