arg
Mein Sohn beweinte meinen
Tod. Ich sah ihn über meinen Sarg gebeugt.
Ich wollte zu ihm eilen, um ihm zu sagen, daß es nicht wahr sei,
daß es sich um eine andere Person handle, vielleicht um eine
mir zum Verwechseln ähnliche, aber ich konnte nicht wegen des
Krokodils. Es war weiter vorne, in dem tiefen Graben, um mich
zu verschlingen. Ich schrie aus Leibeskräften, und die Trauergäste,
statt ihn aufzuklären, blickten mich vorwurfsvoll an, vielleicht
weil ich das Raubtier aufhetzte und sie fürchteten, selber angegriffen
zu werden. Glide war der einzige, der mich weder sah noch hörte.
Als der Mann vom Bestattungsinstitut mit einer Kiste kam, schien
er ein Geiger zu sein, doch dann holte er einen Schweißbrenner
hervor. Wenn das der Fall ist, war alles verloren, dachte ich;
sie würden mich lebendig begraben und ich würde nichts erklären
können. Die Nachbarn wollten ihn fortschieben, weil das der schmerzlichste
Augenblick war, aber er klammerte sich an den Sarg. Der Mann
begann den Deckel auf der Seite der Füße zuzuschweißen, und schon
konnte ich nicht mehr: Ich schloß die Augen und rannte zu dem
Graben, ohne mich von meinem sicheren Tod beeindrucken zu lassen.
Dann erinnere ich mich nur noch an einen Schlag unters Kinn.
Etwas wie eine Schneide, die über die Haut
schabt. Vielleicht das Reiben gegen einen Zahn.
Als ich die Hitze des Schweißens spürte, erwachte
ich und begriff alles. Clide hatte recht: Ich war tot. Derselbe
Raum, dieselben Leute. Mein armer Sohn war noch immer da. Der
Schweißbrenner fauchte auf der Höhe meiner Wade. Der Beamte hob
das freie Ende des Deckels, holt sein Taschentuch hervor und
wischte das Blut von meiner Wunde. »Kommt vor«, sagte er. »Wegen
des Schweißbrenners.«
- Jorge Alberto Ferrando, Palo apique
(1975), nach (
bo4
)
Sarg (2) «Sie ist eine Frau,
an die man diese Frage richten kann.»
Und sich an sie wendend:
«Ist es wahr, gnädige Frau, daß Sie einen Katafalk von schwarzem
Holz besitzen und...»
«Es ist wahr», bestätigte sie.
«Und
daß...» erkühnte Tito sich fortzufahren.
«Und daß ich ihn
für meine Liebesabenteuer benutze? Gewiß! Er ist bequem, er ist
köstlich. Wenn ich sterbe, wird man mich für immer dort einschließen,
und ich werde in jenem Sarg die süßesten Erinnerungen meines
Lebens wiederfinden...»
«Ja, wenn es deswegen ist...» gab
Tito zu.
«Nicht nur deswegen», fügte die Dame
hinzu, «es hat noch einen anderen Vorteil, im Sarg genommen zu
werden; danach bleibe ich allein, ganz allein; der Mann ist gezwungen,
fortzugehen; der Mann flößt mir danach Widerwillen ein. Verzeihen
Sie mir, aber danach erregt der Mann immer Widerwillen; denn
entweder folgt er dem Impuls des gesättigten Mannwesens und erhebt
sich eiligst, wie aus dem Armstuhl des Zahnarztes, oder er bleibt
aus Wohlerzogenheit, aus Zartgefühl dort, neben mir; und dann
stößt er mich ab, weil an ihm etwas ist, das nicht mehr männlich
ist, es ist etwas..., wie soll ich sagen, etwas, entschuldigen
Sie, Feuchtes...» - Pitigrilli, Kokain. Reinbek bei Hamburg
1988 (rororo 12225, zuerst 1922)
Sarg (3)
Umbschrifft eines Sarches. IRrdisches und Sterblich Volck / lebend-todte Erden-Gäste / Aber wiß't wann das Verhängnüs euer Lebens-Garn reisst ab |
- Daniel Casper von Lohenstein. Nach: Lyrik des
Barock II. Hg. Marian Szyrocki. Reinbek bei Hamburg 1971 (rk 539)
Sarg (4)
Sarg (5) Nach unserem Tode sollte man uns in eine Kugel tun, diese Kugel müßte aus verschiedenfarbigem Holz sein. Man würde uns in ihr auf den Friedhof rollen, und die damit beauftragten Totengräber würden durchsichtige Handschuhe anhaben, um die Liebenden an Zärtlichkeiten zu erinnern.
Für jene, die ihre Wohnungseinrichtung gern um die Freude am Gegenstand des geliebten Menschen bereichern möchten, sollte es Kugeln aus Glas geben, durch die hindurch man die endgültige Nacktheit seines Großvaters oder seines Zwillingsbruders sehen könnte!
Sog der Intelligenz, Steeple-chase-Lampe; die Menschen ähneln den Raben mit
dem starren Blick, die über den Kadavern auffliegen, und alle Rothäute sind
Bahnhofsvorsteher! - Francis Picabia, Der kalte Blick. Nach (
hum
)
Sarg (6) Ich sah einen schwarzpoiierten
Violinkasten, der einem dabeistehenden Manne zum Sarge bestimmt war.
Dann wurden statt Erdschollen kleine Zuckerstückchen auf den Kasten
geworfen. - Johannes Volkelt, nach
(je)
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