(
bou
)
Misthaufen
(2)
Zwar
von feurigen Mannen hat man schon oft gehört, aber seltener von brennenden
Frauen. Eine Apothekersfrau geht nachts mit der Magd in den Keller und
will etwas holen. Die Magd steigt mit dem Licht auf eine Stellasche, greift
auf den Schaft, wirft eine große Flasche voll Branntwein um, worin ungefähr
6—8 Maß waren, und zerbricht sie, der Branntwein strömt plötzlich herab,
so über die Magd, so über die Frau. Das Licht kommt der Magd an den Armel.
Die Magd fangt an lichterloh zu brennen, rot mit gelbem Schein. Die Frau
will ihr zu Hülfe eilen. Die Frau brennt auch an. Beide rennen brennend
die Treppe hinauf in den Hof. Der Apothekerjung sieht‘s und springt davon,
meint, es woll ihn einer holen, mit dem man nicht gern geht, den der Hausfreund
nicht nennen darf. Im Hof am Brunnen begießen sie sich mit Wasser. Das
Wasser wird nicht Meister über den Branntewein. Endlich wirft sich die
Magd auf den Dunghaufen im Hof, und wälzt sich darauf. Die Frau wirft sich
ebenfalls auf den Dunghaufen und wälzt sich auch. Beide löschten aus; die
Magd wurde noch geheilt, aber die Frau mußte sterben.
Merke: Wenn man brennt, muß man sich auf einem Misthaufen
wälzen. Solches ist auch gut für die, welche den Branntewein inwendig im
Leib haben. - (
hebel
)
Er war auf einen Stuhl gesunken, die Beine kraftlos, der Kopf ausgeleert, nicht weiterwissend, angstvoll wartend, daß Devorant wieder mit seiner Klage begann, und fuhr bei jedem Laut zusammen, der unsere Nerven im Schrecken aufpeitscht.
Die Standuhr unten schlug fünf. Der Hund verstummte nicht. Der Bauer wurde verrückt. Er erhob sich, um das Tier loszumachen, um es nicht mehr hören zu müssen. Er ging hinunter, öffnete die Tür, schritt vor ins Dunkel.
Immer noch fiel Schnee. Alles war weiß. Die Gebäude um den Hof bildeten große schwarze Flecken. Der Mann näherte sich der Hundehütte. Der Hund zerrte an seiner Kette. Er machte ihn los. Devorant sprang vor, verharrte dann jäh mit gesträubtem Fell, gestreckten Pfoten, die Hakenzähne entblößt, die Schnauze dem Dunghaufen zugewandt.
Am ganzen Leib zitternd, stotterte Saint-Antoine: »Was hast du denn, dreckiges Vieh?« Und er ging ein paar Schritte weiter, durchforschte mit den Augen das ungenaue, das fahle Dunkel des Hofes.
Da sah er eine Gestalt, eine menschliche Gestalt auf seinem Dunghaufen sitzen!
Er sah es, erstarrt vor Grauen und keuchend. Aber plötzlich erkannte er nahebei den Stiel der Forke, die in der Erde stak; er riß sie aus dem Boden; und in einem Überschäumen der Angst, wie es den Feigsten verwegen macht, rannte er los, um zu sehen.
Das war er, sein Preuße, der bemistet aus seinem jauchigen Lager hervorgekrochen war, das ihn aufgewärmt und neu belebt hatte. Er hatte sich mechanisch aufgesetzt und blieb da im Schnee hocken, der ihn überstäuben würde, mit Kot und Blut beschmiert, noch dämmerig vom Rausch, von dem Schlag benommen, durch seine Verwundung erschöpft.
Er sah Antoine, und noch zu betäubt, um irgend etwas zu begreifen, machte er Anstalten, sich zu erheben. Aber sowie der Alte ihn erkannt hatte, raste er wie ein wütendes Tier.
Er stammelte: »Ah! Schwein! Schwein! Bist du nicht tot! Du willst mich anzeigen ... Warte ... warte!«
Und auf den Deutschen losstürzend, schwang er die erhobene Forke mit aller Wucht wie eine Lanze und jagte ihm die vier Eisenzinken bis zum Schaft in die Brust.
Der Soldat sank mit einem langen Todesseufzer auf den Rücken, während
der alte Bauer seine Waffe aus den Wunden zog und sie ihm wieder und wieder
in den Bauch, in den Magen, in die Brust stieß, zustieß wie ein Besessener,
von Kopf bis Fuß den zuckenden Körper durchlöcherte,
dem das Blut in dicken Sprudeln entwich. - (
nov
)
- Robert Pinget, Passacaglia. Neuwied und Berlin 1971 (zuerst
1969)
Misthaufen (5) Schließlich zeigten die Leute mit
dem Finger auf ihn, und die Mütter sagten ihren Kindern, der Alte werde sie
fressen wenn sie nicht brav waren, mit seinem Hut auf dem Kopf und seinen gelben
oder roten Lederstiefeln, man konnte es schlecht erkennen, wie er auf der Straße
nach dem Sumpf zu ging und hinter dem Steinbruch verschwand. Er hatte diese
Geschichte mit dem Leichnam lange hin- und hergewälzt
und gab ihr seine Zustimmung, obwohl er bei der Stunde und dem Kind zögerte,
aber das hatte wenig Bedeutung, ein Misthaufen, was gab es Passenderes. -
Robert Pinget, Passacaglia. Neuwied und Berlin 1971 (zuerst 1969)
Misthaufen (6) Eine Wespe ist in das Glas mit dem
Pernod gefallen, der Doktor sagte ach ja, wollen Sie einen Pernod, holen Sie
sich doch ein Glas, Sie wissen ja Bescheid, erst jetzt wäre der Mann in die
Küche gegangen, er kommt mit seinem Glas zurück und sagt, wieso ist die Haushälterin
nicht da, soviel ich weiß ist heute doch nicht Donnerstag, es wird ihm erklärt,
sie sei bei der Beerdigung des Briefträgers, den man drei Tage vorher tot auf
seinem Misthaufen gefunden hat, der Mann mit der Ente sagt das habe ich mir
gedacht, ich meine, daß er ein solches Ende nimmt, er war den ganzen Tag betrunken.
- Robert Pinget, Passacaglia. Neuwied und Berlin 1971 (zuerst 1969)
Misthaufen (7) Der an der Ecke des Wäldchens postierte Wächter rieb sich in der Morgenfrühe die Augen und sah auf dem Misthaufen einen Tierkadaver, die Beine in der Luft, aufgeplatzter Bauch.
Auf dem Stückchen blutigen Grases, auf dem das Kind des Nachbarn spielte,
unsägliche Angst, wenn alle von anderswo kommenden Phantome ein letztes Mal
in die Falten des Gedächtnisses geflüchtet sind. - Robert Pinget, Passacaglia.
Neuwied und Berlin 1971 (zuerst 1969)
Misthaufen (8) Der Abend brach herein, er nimmt die Hand seines kleinen Jungen und geht vor dem Misthaufen vorbei, auf dem die tote Kuh einen hellen Fleck bildet, man hat einen gewissen Verdacht, jemand Bestimmtes soll sie getötet haben, aber man findet keinerlei Grund, ihn zu verhören, warum sollte sich jemand an dem Tier vergreifen, es ist vor Kälte krepiert, nicht die Spur einer Verletzung, und die Bäuerin die ständig wiederholte so eine gute Milchkuh.
Eine alte Eifersucht, erklärte der Vater, er hatte mit der Bäuerin als sie jung war verkehrt und zwischen Nachbarn ... oder so etwas wie der Verdacht, der andere gieße Wasser in seine Milch, Schmach und Haß mischen sich ein und er vergiftet die Kuh anstelle des Bauern.
Nähert sich dem Kadaver, schneidet mit seinem Taschenmesser das Euter ab und wirft es im Vorbeigehen in die Scheune des Nachbarn, es war dunkel, man sah durch den Fensterladen der Küche einen Lichtstrahl, keinerlei Geräusch.
Der verstümmelte Kadaver, blutverschmierter Hosenschlitz. -
Robert Pinget, Passacaglia. Neuwied und Berlin 1971 (zuerst 1969)
Misthaufen (9)
Misthaufen (10) Mary schritt davon, überquerte die Straße
und starrte über eine niedere Backsteinmaucr gebeugt auf einen Misthaufen, wo
drei schwarze Hennen herumscharrten. Der Misthaufen mit dem schwarzen Federvieh
wurde in dieser Sekunde zu einer Art Erweiterung ihrer Persönlichkeit. In diesem
Augenblick, während sie ihren Korb auf der Mauer abstellte und, ohne auf ihre
Ärmel zu achten, die Hände auf deren Fläche ausbreitete, um mit den nackten
Fingern über die kühlen Stengel des Mauerpfeffers zu fahren, fühlte sie sich,
als sei ihre Seele kaum mit ihrem Körper verbunden. Ohne ihre frohe Entrückthcit
zerbrechen zu lassen, nahm sie den Korb von der Mauer, überquerte wieder die
Straße und traf in dem Augenblick auf John, als er heraustrat.
- (cowp)
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