- Georg Büchner,
Dantons Tod
Zucken (2)
Sichelwagen, so heißt es, bespritzt von rauchendem Mordblut Sollen wir demnach sagen, ein jedes der Stücke besitze |
- (
luk
)
Zucken (3) Die Aechtheit eines Freundes zu erproben,
hat man, nächst den Fällen wo man ernstlicher Hülfe und bedeutender Opfer bedarf,
die beste Gelegenheit in dem Augenblick, da man ihm ein Unglück, davon man soeben
getroffen worden, berichtet. Alsdann nämlich malt sich, in seinen Zügen, entweder
wahre, innige, unvermischte Betrübniß; oder aber sie bestätigen, durch ihre
gefaßte Ruhe, oder einen flüchtigen Nebenzug, den bekannten Ausspruch des Rochefoucauld
: dans l'adversité de nos meilleurs amis, nous trouvons toujours quelque chose
qui ne nous deplait pas [Im Mißgeschick unserer besten Freunde finden wir immer
etwas, was uns nicht unangenehm ist]. Die gewöhnlichen sogenannten Freunde vermögen,
bei solchen Gelegenheiten, oft kaum das Zucken zu einem leisen, wohlgefälligen
Lächeln zu unterdrücken. -
(
schop
)
Zucken (4) 1. Alles Fleisch der Tiere zuckt nach dem Tode um so länger, als das Tier kälter ist und weniger ausdünstet. Dies beweisen die Schildkröten, die Eidechsen, die Schlangen etc.
2. Die vom Körper getrennten Muskeln ziehen sich zusammen, wenn man sie reizt.
3. Die Eingeweide behalten lange ihre peristaltische oder wurmförmige Bewegung.
4. Eine einfache Warmwasser-Einspritzung belebt nach Cowper das Herz und die Muskeln.
5. Das Froschherz bewegt sich, besonders wenn es der Sonne ausgesetzt ist, noch besser auf einem Tische oder einem heißen Teller, während einer Stunde und noch mehr, sobald man es aus dem Körper herausgenommen hat. Scheint die Bewegung dann rettungslos verschwunden? Man reize bloß das Herz, und dieser hohle Muskel schlägt noch. Harvey hat dieselbe Beobachtung an Kröten gemacht.
6. Baco von Verulam spricht in seiner Abhandlung Sylva-Sylvarum von einem des Verrats überführten Manne, welchen man lebendig öffnete und dessen in heißes Wasser geworfenes Herz mehrere Male, immer weniger hoch, bis zur senkrechten Höhe von 2 Fuß sprang.
7. Man nehme ein Hühnchen noch im Ei; man entferne sein Herz und man wird dieselben Erscheinungen unter beinahe gleichen Umständen wahrnehmen. Die Wärme des Atems allein vermag ein Tier, welches in der Luftpumpe beinahe leblos gemacht ist, wieder zu beleben.
Dieselben Erfahrungen, welche wir Boyle und Stenonis verdanken, macht man mit Tauben, Hunden, Kaninchen, von denen einzelne Stücke des Herzens sich ebenso wie das ganze Herz bewegen. Eine gleiche Bewegung sieht man an den getrennten Pfoten des Maul wurfs.
8. Die Raupe, die Würmer, die Spinne, die Fliege, der Aal bieten der Betrachtung Ähnliches dar, und die Bewegung der abgeschnittenen Teile nimmt im heißen Wasser, wegen der in demselben enthaltenen Anfeuerung, noch zu.
9. Ein betrunkener Soldat hieb einem Truthahne den Kopf ab. Das Tier blieb stehen, dann ging es, lief; als eine Mauer ihm in den Weg kam, wandte es sich um, schlug mit den Flügeln, wobei es seinen Lauf fortsetzte, und endlich fiel es um. Auf dem Boden ausgestreckt, bewegten sich alle Muskeln dieses Hahnes aufs Neue. Das habe ich gesehen, und es ist leicht, nahezu dieselben Erscheinungen bei kleinen Katzen, oder Hunden, denen man den Kopf abgeschnitten, zu sehen.
10. Die Polypen bewegen sich nicht bloß, nachdem man sie zerschnitten;
sie verwandeln sich binnen acht Tagen in eben so viele Tiere, als zerschnittene
Teile vorhanden sind. - Julien Offray de La Mettrie, Der Mensch eine Maschine. In: Künstliche
Menschen. Hg. Klaus Völker. Frankfurt am Main 1994 (st 2293)
Zucken (5) Nicht nur. daß das Geheimnis des
Lebens im Tod liegt, sondern auch das Geheimnis des Lichts
in der Dunkelheit, das Geheimnis des Guten im Schlechten, das Geheimnis der
Wahrheit im Irrtum, das Geheimnis des Ja ist im Nein. Deshalb muß sich jeder
Faust, der leben will, jede gierige Seele, die das Leben umarmen will, wie man
eine Geliebte umarmt, um sie ganz zu spüren, ganz zu küssen, ganz zu genießen,
auf das Sterben vorbereiten, muß sich in den Tod begeben. Wenn es uns — wenigstens
für ein paar Augenblicke - gelingt, intensiv zu leben, werden wir gewahr, daß
das Leben ein langsames Sterben
ist und jede Wollust nur ein Zucken und ein Röcheln
in dieser langen Agonie. - Giovanni Papini, Ein geistiger Tod. In. G.P., Der Spiegel auf der Flucht (Spiegelfluchten).
Stuttgart 1983.
Die Bibliothek von Babel Bd. 19, Hg. Jorge Luis Borges
Zucken (6) Trat der Vater in die Stube, wurde es
darin ungemütlich. Auch wenn er nur am Fenster stand, befiel uns übrige eine
Fahrigkeit, die uns in allem ruckhaft werden ließ. Nicht
einmal die sitzende Schwester konnte dann ihre Macht behaupten; anstelle der
Seelenruhe atemlose Starre. Und seine Unstetigkeit war ansteckend: In der großen
Stube ein im Kreis gehender kleiner Mann, um den herum, je länger er so ging,
immer mehr einzelne Augen, Köpfe und Gliedmaßen zu zucken anfingen. Oft führte
zu solch einem Gerucke allein schon, daß er die Tür aufstieß, seinen Blick wunder
Hoffnungslosigkeit gegen die Angehörigen abschoß und wieder verschwand, oder
daß wir spürten, wie er reglos im Vorhaus stand, so als warte er dort gleichermaßen
seinen Erlöser ab wie den Erdrutsch, der ihn samt dem Anwesen endlich verschütten
sollte. Wir atmeten auf, sobald er in seiner Werkstätte war, aber auch von dort
schollen seine Wutschreie herüber, unter denen wir, obwohl wir sie durch die
Jahrzehnte gewohnt waren, noch immer zusammenfuhren; sogar der Arbeitsplatz,
an dem er sich doch unabhängig und befreit hätte fühlen können, galt dem Vater
nicht als Zuhause.
- Peter Handke, Die Wiederholung. Frankfurt am Main
1992 (zuerst 1986)
Zucken (7)
Zucken (8) »Zücke nicht gleichgultig mit den Schultern. Morgen muss ich schon sagen: Morgen geht mein Flug.«
»Es ist seltsam, dass wir für shrugging kein deutsches Wort haben und so umständlich sagen müssen: Mit den Schultern zucken«, hätte Benjamin Lee Baumgartner fast gesagt. »Wo es doch im Grunde kein Zucken ist. Es ist mehr eine schnelle Hebe- und Senkbewegung, nicht aber schnell genug, um von einem Zucken zu sprechen, das ja auch überhaupt nicht zu der Ratlosigkeit passen würde, zu der resignativen Gleichgültigkeit, zu der trotzigen Einsicht, die man richtigerweise mit einem kurzen Anheben und Sinkenlassen der Schultern zum Ausdruck bringt, nicht aber mit einem nervigen Zucken.«
»Woran denkst du?«
»Zucken ist doch eine wesentlich schnellere, reflexhafte Körperreaktion, das Zucken eines Augenlides oder das epileptische Zucken des Körpers, das wir in wenigen Stunden erleben werden, wenn unsere jungen, so gut zueinander passenden Körper sich in Verzückung derart ineinander verschlungen haben, dass wir nur noch durch diesen elektrischen Notausgang in einige Stunden normalen Lebens entkommen, die wir kurz für Nahrungsaufnahme und lebenserhaltende Maßnahmen nutzen können, bis es wieder so weit ist und die gepeinigten Körper sich abermals suchen und in Verzückung verschlingen und verheddern werden.«
»Warum sagst du nichts?« Sie rüttelte ihn wie einen kaputten Automaten, der wenigstens das eingeworfene Geldstück wieder zurückgeben soll. »Hey! Was ist los mit dir? Hast du einen Gehirnschlag?«
»Ich bin auf einmal unsicher, ob es im Deutschen heißt: mit den Schultern zucken oder mit den Achseln zucken.«
»Ich habe auch schon gelesen mit den Achseln zucken. Aber es klingt disgusting.«
»Ungustiös.«
»Ungustiös. Very very ungustiös! Ich muss immer an deutsche Frauen denken, mit Haare-Achseln! Stört dich das nicht?«
Benjamin Lee Baumgartner zuckte mit den Achseln. - Wolf Haas,
Verteidigung der Missionarsstellung. Hamburg 2012
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