ebendig begraben Sie bot all die gewöhnlichen Anzeichen des Todes. Ihr Gesicht nahm das übliche verkniffene und eingesunkene Aussehn an. Die Lippen zeigten die bekannte Marmorblässe. Die Augen waren glanzlos. Der Leib hatte keine Wärme mehr. Der Pulsschlag war verstummt. Drei Tage lang ließ man sie unbestattet, während welcher Zeit eine steinerne Starre eintrat. Um es kurz zu machen - als schließlich das, was man für Verwesung hielt, rapide fortschritt, wurde die Beerdigung sehr eilig betrieben.
Die Dame wurde in ihrer Familiengruft beigesetzt, welche drei folgende Jahre
lang ungestört blieb. Nach Ablauf dieser Zeit aber ward sie geöffnet, um einen
weiteren Sarkophag aufzunehmen; - und ach! welch grauenvoller Schlag erwartete
den Ehegatten da, der in Person die Türe offen warf! Als die Portale auseinanderschwangen,
fiel ihm ein weißgekleidetes Klapper-Etwas in die Arme. Es war das Skelett seines
Weibes im noch nicht mitvermoderten Totenhemd. Eine sorgfältige
Nachforschung machte es gewiß, daß die Dame innert zweier Tage nach ihrer Bestattung
wieder zum Leben erwacht war und daß der Sarg aufgrund ihres konvulsivischen
Ringens darin von seinem Sockel oder Gestelle zu Boden gestürzt sein mußte,
wo er so zerbrochen war, daß sie sich daraus befreien konnte. Eine Lampe, welche
gefüllt mit Öl versehentlich in dem Gewölb zurückgelassen worden, fand man leer;
doch mag es immerhin sein, daß Verdunstung den Brennstoff verzehrte. Auf der
obersten der Stufe, welche in die Schreckenskammer niederführten, lag ein großes
Bruchstück des Sarges, mit dem die Unglückselige, so
schien es, an die eiserne Tür geschlagen hatte, um Aufmerksamkeit zu erwecken.
Währenddem waren ihr vermutlich die Sinne geschwunden, oder vielleicht gar starb
sie auch dabei, aus schierem Entsetzen; und im Fallen verfing sich ihr Leichenhemd
in irgendeinem drinnen vorragenden Eisenwerk. So blieb sie hangen, und so, aufrecht
hangend, verfaulte sie. -
Edgar Allan Poe, Das vorzeitige Begräbnis, in (
poe
)
Lebendig begraben (2) »Lebendig begraben«, sagte der Totengräber verträumt. »So etwas passiert nie. Alle, die man hierher begleitet, sind schon toter als man glaubt.«
»Wie meinen Sie das, toter als man glaubt?«
»Alle Leute sind immer schon ein wenig tot«, murmelte der rätselhafte Mann.
»Was wollen Sie damit sagen? Meinen Sie das philosophisch?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich sehe, was ich sehe. Auch Sie, ja Sie, Herr Reisender, auch Sie sind schon ein Toter, ohne es zu merken.«
»Ich?«
»Ja, Sie bluten...«
»Ich blute?«
»Dort, auf Ihrem Hemd, sehe ich einen großen Blutfleck.«
»Wo denn?«
»Dort...«
Der Totengräber war zurückgewichen. Offensichtlich hatte die Sache ihn überrascht. Er blickte unruhig um sich. Er wollte sich von dem Reisenden fern halten. Der Abstand zwischen ihm und
dem Fremden betrug jetzt eine Spatenlänge. Er zeigte auf die Brust seines Gesprächspartners.
»Dort«, meinte er beharrlich, »unter der Krawatte.«
»Aber ich sehe nichts.«
»Sie müssen nach unten sehen.«
Der Reisende beugte den Kopf. Seine Bewegungen waren fieberhaft und ungeschickt. Er knöpfte seine Weste auf. Er hob die Krawatte hoch.
In dem Augenblick schwang der Totengräber bedrohlich seinen Spaten.
Dieser traf mit voller Gewalt den Kopf des Reisenden und prallte zurück. Der Schlag hallte schrecklich wider. Der Mann richtete sich nicht mehr auf. Er stürzte, die Hände an die Brust gepreßt, mit dem Kopf vornüber in die umgeschaufelte Erde.
Der Totengräber betrachtete ihn einen Augenblick wie ein Sieger. Ein ekstatisches Licht leuchtete in seinen glasigen Augen auf. Er bückte sich und ließ den Körper ein paar Schritt nach vorn rollen, bis an den Grubenrand. Dann kniete er neben ihm nieder, schob den Ärmel zurück und fühlte den Puls.
»Er lebt«, murmelte er, »er lebt...«
Mit einem kleinen, freundschaftlichen und zärtlichen Stoß schob er ihn hinunter. Mit einem dumpfen Schlag stürzte er auf den noch kaum von Erde bedeckten Sarg der alten Ida. Nur die Schuhe des Reisenden machten auf der Kiste ein hallendes Geräusch.
Der Totengräber spuckte sich in die Hände und machte sich an die Arbeit. Er schaufelte, schaufelte wie im Fieber; er nahm sich die Erde, wo er sie fand und arbeitete mit planloser Hast. Er machte große Gebärden und nahm manchmal nur wenig Erde auf den Spaten oder eine zu große Menge, so daß sie wieder herunterfiel. Er rannte wie eine Hyäne um die Grube herum. Einmal bedeckte er das Fußende, dann wieder das Kopfende.
Schon bald war der Körper des Reisenden mit einer zwanzig Zentimeter dicken
Schicht verhüllt. Der hagere Totengräber keuchte in seiner fieberhaften Eile
wie ein wildes Tier. Er glaubte, etwas bewegen zu sehen. Ohne Zweifel ein Arm,
der sich ausstreckte. Er beschleunigte seine Arbeit. Ja, da ging wirklich etwas
Ungewöhnliches vor, unter der tonigen Schicht. Er warf seinen Spaten nach hinten
und beugte sich über die Grube. Er wollte es sehen. - Thomas Owen, Von Staub bist du ....
In: Das unsichtbare Auge. Eine Sammlung von Phantomen und anderen unheimlichen
Erscheinungen. Hg. Kalju Kirde. Frankfurt am Main 1979 (st 477, zuerst 1862)
|
||
|
||