aus, gastliches   In Gedanken versunken, schritt ich vor mich hin, bis ich auf einer Bank einen Roboter erblickte, der seine alten Bleche in der Sonne wärmte und sich den Kopf mit einer Zeitung zugedeckt hatte. Auf der Titelseite war ein Gedicht abgedruckt, das mit den Worten begann: »Bin ein entarteter schmucker großartiger Schlucker.« Wie es weiterging, weiß ich nicht. Allmählich entspann sich zwischen uns ein Gespräch. Ich stellte mich als Ankömmling aus der benachbarten Stadt vor, aus Sadomasia. Der alte Roboter war überaus herzlich. Er bat mich sogleich in sein Haus. »Was wollen Euer Ehren sich erst lange in den Schenken herumschlagen und sich mit den Wirtsleut streiten. Verstatten Sie, Sie zu mir zu begleiten. Hab ein gastlich Haus, stets dero untertänigster Diener. Freude wird mit dero ehrenwerten Person in meine bescheidenen Kemenaten einziehen.«

Was blieb mir übrig? Ich willigte ein, und es war mir sogar recht. Mein neuer Wirt bewohnte ein eigenes Haus, drei Straßen weiter. Er führte mich sogleich in sein Gästezimmer.

»Bei der langen Reis mußt du maßlos viel Staub geschluckt haben, Herr«, sagte er.

Wieder wurden mir ein Ölkännchen, Sidol und Lappen gereicht. Ich wußte schon, was er sagen würde, die Roboter waren eben doch unkomplizierte Wesen. Und in der Tat: »Sobald sich der Herr hergerichtet haben, bitt ich mit Verlaub ins Spielzimmer zu kommen«, sagte er, »wir wollen gemeinsam Kurzweil treiben...«

Er schloß die Tür. Ich berührte weder das Ölkännchen noch die Flasche Sidol, überprüfte jedoch im Spiegel den Zustand meiner Verkleidung, schwärzte mir die Zähne und wollte gerade hinuntergehen, ein wenig unruhig angesichts der »Kurzweil«, die mich erwartete, als aus der Tiefe des Hauses lautes Getöse zu mir drang. Diesmal konnte ich nicht mehr flüchten, ich stieg die Treppe hinunter, umgeben von einem solchen Gedröhn, als zerhacke jemand einen eisernen Klotz zu Spänen. Im Spielzimmer war der Teufel los. Mein Wirt, bis zum eisernen Rumpf entkleidet, hackte mit einem eigenartig geformten Beil eine große Puppe entzwei, die auf dem Tisch lag.

»Bittschön, lieber Gast! Diese Rümpfchen stehen zu dero Vergnügen bereit«, sagte er, als er meiner ansichtig wurde. Er hörte mit dem Hacken auf und deutete auf eine zweite, etwas kleinere Puppe, die auf dem Fußboden lag. Als ich mich ihr näherte, setzte sie sich auf, öffnete die Augen und begann mit schwacher Stimme zu greinen: »Herr, ich bin ein unschuldig Kind, verschone mich... Herr, ich bin ein unschuldig Kind, verschone mich...«

Der Wirt reichte mir ein Beil, das einer Hellebarde ähnelte, nur daß der Stiel kürzer war.

»Nur zu, ehrenwerter Gast, hinfort mit den Sorgen, hinfort mit der Traurigkeit. Schlagt nur fest drauflos. Nur Mut!«

»Nun... ich mag Kinder nicht«, entgegnete ich schwach. Er erstarrte.

»Ihr möget sie nicht?« erwiderte er. »Schade. Da bin ich in arger Verlegenheit. Was fangt Ihr nun an? Ich habe nur die Kleinen da - das ist meine Schwäche, Verehrtester. Möchtet Ihr es nicht mit einem Kalb probieren?«

Er holte ein durchaus handliches Plastkalb aus dem Schrank, das aufblökte, wenn man es drückte. Was sollte ich tun? Da ich nicht entlarvt werden wollte, hackte ich auf die unselige Puppe drauflos und schwitzte dabei tüchtig. Der Wirt hatte inzwischen beide Puppen gevierteilt; er legte das Werkzeug weg, das er Knochenbrecher nannte, und fragte, ob ich zufrieden sei. Ich versicherte ihm, daß ich schon lange nicht mehr ein solches Vergnügen gehabt hätte.

So begann mein unfrohes Dasein auf Karelirien. Frühmorgens, nach dem Frühstück, das aus siedendem Öl bestand, begab sich der Wirt zur Arbeit, und seine Frau sägte eifrig etwas im Schlafzimmer, ich glaube, Kälber, aber ich könnte es nicht beschwören. Ich hielt das Geblöke, das Geschrei und das Getöse nicht aus, also ging ich in die Stadt. Die Beschäftigung der Einwohner war ziemlich monoton. Vierteilen, Brechen am Rad, Verbrennen, Zersägen - im Zentrum befand sich ein Vergnügungspark mit Pavillons, in denen man die ausgefallensten Werkzeuge erwerben konnte. Nach ein paar Tagen konnte ich mein eigenes Taschenmesser nicht mehr ansehen, und nur der Hunger trieb mich in der Abenddämmerung vor die Stadt, wo ich eilig im Gebüsch Sardinen und Biskuits hinunterschlang. Kein Wunder, daß ich bei solcher Kost immer nahe einem Schluckauf war, was für mich eine tödliche Gefahr bedeutete. Am dritten Tag gingen wir ins Theater. Es wurde das Stück »Karbesaurius« gespielt, die Geschichte eines jungen, stattlichen Roboters, der von den Menschen, das heißt von den Leimern, schrecklich verfolgt wurde. Sie begossen ihn mit Wasser, schütteten ihm Sand ins Öl, lockerten ihm die Schräubchen, so daß er dauernd umfiel, und anderes mehr. Im Zuschauerraum klirrte es drohend. Im zweiten Akt erschien ein Sendbote des Kalkulators, der junge Roboter wurde befreit. Der dritte Akt befaßte sich eingehender mit den Menschen, deren Schicksal, wie man leicht erraten kann, nicht gerade beneidenswert war.

Aus Langerweile kramte ich in der Hausbibliothek der Wirtsleute, aber sie enthielt nichts Interessantes: ein paar schäbige Nachdrucke des Tagebuchs des Marquis de Sade, sonst lauter kleine Broschüren wie Das Erkennen der Leimer, aus der ich mir einige Abschnitte merkte. »Der Leimer«, so begann der Text, »ist über die Maßen weich, in seiner Konsistenz erinnert er an Piroggen... Die Augen sind stumpf, wässerig, sie sind das Abbild seiner seelischen Niedertracht. Ein gummiartiges Gesicht...« und so weiter.  - (lem)

 

Haus Gastfreundschaft

 

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