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Eule (2) Ich stellte mir meinen Gesprächspartner
oder sonst jemanden aus meiner Bekanntschaft vor mit einer kleinen Eule, die
auf seinem Kopf saß. Und auf dem Kopf der Eule wiederum lag, gut sichtbar, ein
Exkrement. Die Eule war skulptiert, und das Exkrement sollte eins von mir sein.
Die Wirkung des kottragenden Vogels war verschieden, je nach den Personen, auf
denen balancierend ich ihn mir vorstellte. Bei manchen erreichte die komische
Wirkung den höchsten Grad, bei anderen ging das nicht. Ich mußte die Eule auf
dem Kopf ändern, häufig mehrmals, bevor ich die fand, die meinen Wünschen genau
entsprach. Doch wenn ich sie dann hatte, konnte nichts meine Freude übertreffen,
das Gesicht der Person, die gar nicht wußte, was ich ihr da eben auf den Schädel
gesetzt hatte, und den starren Blick des Vogels zu betrachten. - Salvador
Dalì, nach: Friederike Mayröcker, Magische Blätter III, Frankfurt am Main 1991
(es 1646)
Eule (3)
Mein armes Herz: der Eule gleich!
Genagelt, frei,
nochmals ins Fleisch getrieben
Die Nägel, blutvoll, glutenreich ...
Ich
lobe alle, die mich lieben.
- Guillaume Apollinaire, Bestiarium. Übs. Karl Krolow. Giessen 1959
Eule (4) »Hier
haben Sie das letzte auf der ganzen Welt arbeitende Salzbergwerk mit Steiler
Lagerung - so heißt das in unserer Sprache. Hier, in einem Kilometer Teufe,
so heißt das in unserer Sprache.« Sie, auf sein Spiel eingehend: »Gibt
es Lebewesen da?« - Er: »Nein, dazu ist es im Salz
zu trocken. Nur kein Wasser im Bergwerk. Bei einem Wassereinbruch wäre
es um den Salzdom geschehen. Selbst für Fledermäuse ist es zu trocken hier.
Einmal freilich bin ich in der Nische eines Seitenstollens, weiter oben
im Dom, auf eine Schleiereule gestoßen. Sie hat gelebt, und sie hat sich
von mir ohne weiteres anfassen und retten lassen. Noch nie habe ich den
Ruf einer Eule als Dankesruf gehört: aber ein solcher kam dann, bei ihrem
Wegfliegen, oben im Freien. Sie ist wohl durch den Luftstrom am Eingang
zum Entlüftungsschacht hinab in die Stollen gesaugt
worden, und wer weiß, wie lange sie schon da in der Salznische saß.« -
Peter Handke, Kali. Eine Vorwintergeschichte. Frankfurt am Main 2008
Eule (5) Warum schilt dich der Mensch
einen Nachtfalter? Weil du ihm nicht schöntust? Weil du ihm nicht im
Lichte des goldenen Tages dein Lied singst, damit er dir lauschen, dich
erspähen, dich totschießen und dich verspeisen kann? Du schmeichelst
weder seinem Ohr noch seinem Magen. Gegen Abend, wenn die Sonne erlischt
und aus der Ewigkeit des Himmels, dessen Rätsel der Mensch vergeblich
zu lösen versucht, die geheimnisvollen Sterne sprießen, erscheinst du
ganz unerwartet, in weichem Flug von einer Turmkuppel zur andern
schwirrend, und geduckt zwischen Schattenwogen jagst du ihm Schrecken
ein. Welch düstere Sünden belasten des Menschen Gewissen, daß er sich
vor dir ängstigt wie vor einem unheilverkündenden Zeichen? Ich fand dich
stets auf der Spitze des Kreuzes und auf den höchsten Glockentürmen.
Der Mensch ist dir auch deshalb feind, weil du, im alten Gemäuer hockende Einsiedlerin, du Freundin der Geister und Gespenster, die du dich zwischen Käuzen und den Fledermäusen mit ihren ledernen Flügeln in deiner Welt verschließt, dich ihm nicht zugesellst. Er glaubt, der Mensch, daß du den Todeszauber über ihn wirfst, wahrend du ihn doch nur verachtest. In der gewaltigen Sankt-Nikolaus-Kirche auf der Klosterinsel schwangst du dich des Nachts während der Mette von der Altar wand auf den Kronleuchter, und wir spürten, während wir auf die Knie sanken und tief uns neigten, das samtene Flattern deiner stummen Fittiche. Die Mönche hatten sich zu einer Totenmesse versammelt; im Gewölbe der Kirchcngruft lagen Tausende von Schädeln aneinandergereiht, alle mit dem gleichen hohlen Blick, und dennoch bekamen es die Klausner, die Äbte, die Beichtväter ebenso wie die jungen, zaghaften Kaplane in ihren Kirchenstühlen mit der Angst vor dem Boten der erfüllten Geschicke, der mitten unter ihnen weilte.
Du, schone Eule, bist die Verkünderin des Endes! Du, stiller Vogel der Dämmerung und der Mitternachtsstunde! Du trägst eine törichte Schuld. Würdest du nicht den Parzen in Erinnerung rufen, daß man seinen Lebensfaden durchschneiden müsse, dein Verleumder würde vielleicht gar nicht mehr sterben. Höre ich dich einmal nicht im regenbogenfarbenen Dunkel, das den Schlaf einhüllt, auf dem First meiner Behausung rufen, erstaunt auch du über das ewige, unentrinnbare Vorübergleiten der Dinge, so bin ich besorgt. Wo steckt die Eule, die ein Leben lang in jeder durchwachten Nacht meine Seele umschwirrt? Du warst auf Wanderschaft.
Hätte dich der Mensch aus der Nähe betrachtet, wie ich dich zweimal
gesehen, er hätte dich wie eine aschgraue Dahlie geliebt, die sich welk
vom Stiel gelöst. Ich fand dich einmal tot auf dem Altar eines kleinen,
abgelegenen Stiftes des Fürsten Tepes. Du warst vor kurzem auf der
Steinplatte entschlafen, auf der einst der Gottesdienst verrichtet
wurde. Ich blies in deine Flaumfedern und hauchte deine Lider an, doch
du konntest nicht wieder erwachen. »Die arme Eule, nun ist auch sie
tot!« sprach die Nonne Fevronia, die mich begleitete, den Totensegen
murmelnd. Ein andermal erfaßte dich hoch in den dämmrigen Lüften ein
Taumel, du zögertest eine Weile am Abendhimmcl, umkreistest mich in
nahem Bogen und fielst mir in die Hände, die sich dir wartend
entgegenstreckten. Ich behielt dich bei uns, als wärst du ein Toter aus
unserer Gemeinde, und bettete dich auf einen Tisch, den ich aus dem
Weichselbaum gezimmert, durch dessen Zweige du geflattert warst.
Du sprachst vielleicht davon, daß in dem weißen Haus gegenüber den
anderen Türmen mit den zwei spitzen Ziegeldächern die Freunde deines
gefiederten Falterstammes wohnen. Denn auf den Balken sitzen, unter dem
erblühten Abcndstern, die Nonnen mit ihren weiten Schleiern, Seite an
Seite, die ganze Nacht lang versonnen da und blicken zum Himmel und über
die Erde. - Tudor Arghezi, nach
(arc)
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