uchhalter Plötzlich kam Inge eine halbe Stunde früher aus ihrer Mittagspause zurück ins Büro. Sie lächelte mich an, setzte sich an ihren Schreibtisch und begann mit dem Tagesabschluß.
Ich beugte meinen Kopf mit scheinbarem Interesse auf die Blätter mit den Tagesbuchungen und schob dabei eine Hand unter Inges Rock, drückte Inges Oberschenkel gegen deren geduldigen Widerstand auseinander und legte einen Finger sanft über Inges wollenes Provinzhöschen, vorn auf den Zwickel, guckte währenddessen ernst auf Inges Abschlußsanskrit und sagte: »Inge, deine Verlobtheit ist mir heilig.«
Dann nahm ich meine Hand von ihrem Zwickel. - (
kap
)
Buchhalter (2) Einmal fehlten genau drei Heller in der Kasse. Ich hätte sie ersetzen können, warum nicht, aber das wäre kein anständiges Spiel gewesen, vom Standpunkt eines Buchhalters einfach unsportlich; man mußte schon herausfinden, in welchem der vierhundert Posten der Fehler steckte. Und ich kann Ihnen verraten, ich hatte mich vor dem Abschluß schon irgendwie auf so einen Fehler gefreut.
Diesmal blieb ich sogar über Nacht in der Buchhaltung, schichtete den Stoß
Bücher vor mir auf und kniete mich hinein. Es ist merkwürdig, ich habe die Zahlenkolonnen
nicht als Ziffern vor mir gesehen, sondern als einen Gegenstand. Es kam mir
zuweilen vor, als kletterte ich an den Zahlen empor wie an einem nackten Felsen
oder als ließe ich mich an einer Leiter hinunter in einen tiefen Schacht. Manchmal
fühlte ich mich als Jäger, der sich durch ein Dickicht von Zahlen hindurchzwängt,
um ein seltenes scheues Tier zu erjagen, in diesem Fall die drei Heller. Oder
ich hatte das Gefühl, ein Detektiv zu sein, der in einer dunklen Nische lauert;
Tausende von Figuren huschen an ihm vorüber, er aber wartet in Spannung, bis
er den Täter beim Kragen gepackt hat, in diesem Fall den Rechenfehler. Dann
wieder kam es mir vor, als säße ich am Ufer eines Flusses, die Angel in der
Hand, und wartete auf den Fisch; plötzlich zerrt es an der Angelrute, hab ich
dich, du Luder! Meist aber hatte ich die Vorstellung, ein Jäger zu sein und
durch das Gestrüpp von Heidelbeeren auf und ab zu wandeln; so eine unbändige
Freude empfand ich an dem Spiel der eigenen Kräfte, und in mir wuchs ein Freiheits-
und Kraftgefühl, als erlebte ich ein ganz großes Abenteuer. Ich hielt es aus,
die Nacht hindurch diesen drei Hellern nachzujagen; und als ich sie gefunden
hatte, da dachte ich gar nicht daran, daß es nur lumpige drei Heller seien.
Sie bedeuteten mir eine Trophäe, ich ging beruhigt zu Bett, im Bewußtsein meines
Sieges; ein Wunder, daß ich nicht mit den Schuhen ins Bett gekrochen bin. - Karel Čapek, Der gestohlene Kaktus. Frankfurt am Main 1969 (zuerst
ca. 1930)
Buchhalter (3)
Buchhalter (4)
Buchhalter (5) Mir träumte heute vom Lynchen. Gelyncht wurde alles mögliche, verschiedene Männer, auch ein kleines Kind, was besonders greulich mitanzusehen war; wie sein Kopf immer mehr zerschlagen und zermanscht wurde. Dann wurde die Lynchjustiz auch in der Buchhaltung eingeführt. Zwei Firmen stimmten ihre Konten ab, und wenn die eine Firma einen Fehler in ihren Aufzeichnungen hatte, stellte die andere den Lynch-Antrag. So duellierte sich per Lynch Dr. S mit mehreren Herren von Boveri. Unsere Fehler waren klein und rasch abgehandelt, vom Lynchen sah man ab, und jetzt sollten die Fehler von Boveri drankommen; Boveri, sagte ich, ist ein so großer Betrieb, da wird es nicht ohne Lynch abgehen.
Plötzlich fiel mir ein, daß wir Duellanten, kleine und große,
vereint gegen diese idiotische Justiz losschlagen sollten. - (met)
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