rivatsphäre Der
Staatsanwalt hatte ein sehr wichtiges Beweisstück in der Hand - ein Notizbuch,
das bei Landrus Verhaftung in seiner Tasche gefunden worden war. Eigentlich
hätte es ein vernichtendes Dokument sein müssen, denn es war nicht weniger als
eine Gewinn-Verlust-Aufstellung der Morde, mit Namen,
Ausgaben und Einnahmen aus dem Verkauf des Eigentums der Opfer - alles war genauestens
verzeichnet. Eine Analyse der Ausgaben ergab sogar, daß Landru, wenn er eine
Frau zwecks Beiseiteschaffung nach Gambais brachte, für sich selbst eine Rückfahrkarte,
für das Opfer aber nur eine einfache Bahnfahrkarte
gelöst hatte. Doch er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Gedrängt, für diese
mit Hilfe des Notizbuchs aufgedeckten Fakten eine Erklärung
zu geben, flüchtete er sich in die Attitüde eines beleidigten Ehrenmannes:
»Herr Richter«, pflegte er während seiner nicht enden wollenden Vernehmung beleidigt
auszurufen, »auf Fragen privater Natur gebe ich keine Antwort!« - (
beg
)
Privatsphäre (2) Und du darfst eines nicht vergessen. Dass die Soili ein Verhältnis mit dem Heinz gehabt hat, das war noch gar nicht das Private. Heutzutage, wo jeder ein Verhältnis mit jedem hat, fällt eine kleine Bettgeschichte noch nicht direkt ins Private, das ist noch mehr Smalltalk.
Jetzt wo fängt das Private an? Das Private kann man ganz leicht daran erkennen,
dass einem meistens schlecht davon wird. So wie der Mensch gewisse Chemikalien
nicht verträgt, ein Rattengift, ein Arsen, ein Zyankali, du merkst es erst,
wenn es zu spät ist, aber dann brauchst du keinen Ernährungsberater, der dir
erklärt, es ist nicht gut für dich, sondern du spürst es einfach, dass es aus
ist, und mit dem Privaten ist es genauso, sobald du hineingetappt bist, alles
aus. Und alte Kripo-Weisheit: Neunzig Prozent aller Morde rein privat. - Wolf Haas, Das ewige Leben. Hamburg
2003
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