Aetzend   Sie kleidet sich nachlässig und schreckt nicht einmal davor zurück, sich ohne ihre falschen Zähne zu zeigen, obwohl ich sie warne, denn ich sehe voraus, daß das in ungewollter Kälte enden kann. Gleichzeitig entbrennt ihre Leidenschaft für das eigene Geschlecht mit neuer Kraft, diesmal um so gefährlicher, da sie ihre Augen jetzt auf Minderjährige geworfen hat. Eines Abends hat der Ortskommandant zusammen mit seiner vierzehnjährigen Tochter, der Freifrau, der Herrin des Hauses, deren Tochter von fünfzehn Jahren und einem dritten Mädchen im gleichen Alter eine Einladung zu einer bescheidenen Soiree mit Musik und Tanz bei mir angenommen.

Gegen Mitternacht entdecke -ich zu meinem unbeschreiblichen Entsetzen, daß Maria, halbbetrunken, inmitten der jungen Mädchen, die sie um sich versammelt hat, diese mit lüsternen Blicken verschlingt und sie mit diesem weitoffenen Pferdemaul küßt, das ich von der Gelegenheit wiedererkenne, als sie lesbische Lieder sang.

Der Kommandant sitzt in einer Ecke des Saals, beobachtet sie und ist kurz davor zu explodieren. Ich sehe mich schon im Gefängnis oder im Zuchthaus, ahne den nicht wiedergutzumachenden Skandal und stürze mich in die Schar junger Mädchen und treibe sie auseinander, indem ich zum Tanz auffordere.

In der Nacht, als wir allein sind, stelle ich Maria zur Rede. Es kommt zu einer stürmischen Auseinandersetzung, die sich bis zum Morgen hinzieht. Da sie zuviel getrunken hat, verrät sie sich gegen ihren Willen und gesteht schreckliche Dinge, auf die ich nie gekommen wäre.

Außer mir vor Wut wiederhole ich alle Anklagen, alle Verdächtigungen und füge eine neue Vermutung hinzu, die ich selbst übertrieben finde.

»Und diese merkwürdige Krankheit«, rufe ich aus, »von der ich soviel Kopfschmerzen bekommen habe . . .«

»Aha! Du Schuft, willst du behaupten, ich hätte dich mit Syphilis angesteckt . . .«

Daran hatte ich überhaupt nicht gedacht, denn ich hatte Symptome einer Zyankali-Vergiftung andeuten wollen. Aber in diesem Moment trifft mich die Erleuchtung wie ein Keulenschlag, und ich erinnere mich an einen Zwischenfall, der damals allzu unwahrscheinlich wirkte, um in meinem Gedächtnis einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen.

Etwa zu der Zeit der Massage-Behandlungen entdeckte ich eines Tages Ausschläge an meinen Genitalien. Voller Vertrauen erzähle ich es Maria, die sichtbar verwirrt, aber wie immer nie um eine Antwort verlegen erwidert, daß die Vulva mitunter ätzende Sekrete aussondere. Das weiß auch ich sehr gut, aber das nennt man eine Geschlechtskrankheit. Die Hautausschläge verheilen jedoch, und das Ganze wird vergessen. Jetzt aber verstärkt sich mein Verdacht. Warum diese Entschuldigung, die eine Anklage enthält? Der Verdacht verbindet sich urplötzlich mit einem Satz in einem anonymen Brief, den ich nach meinem Prozeß erhalten hatte und in dem Maria »die Hure von Södertälje« genannt wird.

Was sollte das heißen? Betrachten wir die neuen Spuren, denen es zu folgen gilt.

Als Maria den Freiherrn, ihren ehemaligen Mann, in Södertälje kennenlernte, war sie so gut wie verlobt gewesen, und zwar mit einem Leutnant, der im Ruf stand, von Geschlechtskrankheiten verwüstet zu sein. Und der arme Gustav, der als Retter in der Not willkommen war, war also hereingelegt worden, was auch aus der Dankbarkeit hervorgehen könnte, die Maria ihm noch immer entgegenbringt und die sich bei der Scheidung zeigte, als sie gestand, er habe sie aus gewissen Gefahren gerettet . . . Über die sie nichts Näheres gesagt hatte.   - (plaed)

 

Säure Zerfressen

 

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