puren
 

Trenne dich von deinen Kameraden auf dem Bahnhof
Gehe am Morgen in die Stadt mit zugeknöpfter Jacke
Suche dir Quartier, und wenn dein Kamerad anklopft:
Öffne, oh, öffne die Tür nicht
Sondern
Verwisch die Spuren!

Wenn du deinen Eltern begegnest in der Stadt Hamburg oder sonstwo
Gehe an ihnen fremd vorbei, biege um die Ecke, erkenne sie nicht
Zieh den Hut ins Gesicht, den sie dir schenkten
Zeige, oh, zeige dein Gesicht nicht
Sondern
Verwisch die Spuren!

Iß das Fleisch, das da ist! Spare nicht!
Gehe in jedes Haus, wenn es regnet, und setze dich auf jeden Stuhl, der da ist
Aber bleibe nicht sitzen! Und vergiß deinen Hut nicht!
Ich sage dir:
Verwisch die Spuren!

Was immer du sagst, sag es nicht zweimal
Findest du deinen Gedanken bei einem andern:
verleugne ihn.
Wer seine Unterschrift nicht gegeben hat, wer kein Bild hinterließ
Wer nicht dabei war, wer nichts gesagt hat
Wie soll der zu fassen sein!
Verwisch die Spuren!

Sorge, wenn du zu sterben gedenkst
Daß kein Grabmal steht und verrät, wo du liegst
Mit einer deutlichen Schrift, die dich anzeigt
Und dem Jahr deines Todes, das dich überführt!
Noch einmal:
Verwisch die Spuren!

- (Das wurde mir gelehrt.)

 

- Bertolt Brecht, Lesebuch für Städtebewohner, in (breg)

Spuren (2) Spurlose Arbeit. Das ist ein geflügeltes Wort geworden im Amt, sagte sie. Es wird jeden Tag verwendet. Ich suche gerade wieder die Spur meiner Arbeit, sagen sie. Oder: Der Abteilungsleiter hat sich mal Spurendienstleiter genannt. Und wenn einer keine Lust mehr hat, sagt er einfach, ich habe endgültig meine Spur verloren. Und am Feierabend sagen sie natürlich, daß sie nun alle spurlos verschwinden. Dagmar lachte. Das Komische ist, sagte sie, daß die Formulierung spurlose Arbeit zu einem Witz geworden ist, aber trotzdem die Wahrheit ausdrückt. Vorerst lachen sie noch alle. - (absch)

Spuren (3)  An einer Stelle, wo das Wasser nicht gefroren war, nagte eine Rostgans an etwas Unkraut. Elizabeth beobachtete sie durch einen Feldstecher, als ich mich zufällig unidrehte — und die Augen zusammenkniff.

»Sieh mal!« stieß ich hervor. »Yetispuren!«

»Oh, wirklich?« sagte Elizabeth mit gedehnter Stimme und fuhr fort, die Rostgans zu beobachten.

»Sieh doch mal!«

Auf dem nach Norden gelegenen Abhang hinter uns gab es eine Spur höchst sonderbarer Fußstapfen. Jeder war ungefähr vierzig Zentimeter lang, breiter an der Spitze als an der Ferse, und bei manchen sah man — oder glaubte man zu sehen - den Abdruck einer riesigen großen Zehe. Sie näherten sich der Basis einer nahezu vertikalen Böschung, verschwanden, tauchten weiter oben wieder auf und verloren sich dann auf einem felsigen Kamm. Ich schätzte, daß das Wesen mindestens zwei Meter hoch und über drei Meter weit gesprungen war. Die Spuren mochten einen Tag alt und etwas verschmolzen sein. Trotzdem, ich konnte sehen, daß sie von keinem der üblichen Kandidaten stammten - Yak, Blaubär, Schneeleopard, Hulman, Mensch oder einem menschlichen Witzbold. Kein Witzbold hätte so hoch springen können, und die Sherpas behaupten, daß der Yeti gewöhnlich so hoch springt, wie er groß ist — wenn nicht höher. Das Sonderbare war, daß die Spuren im Schnee nach oben führten — es sei denn, es war wirklich ein Yeti mit umgekehrten Füßen, in welchem Fall er nach unten gesprungen war.  - Bruce Chatwin, Was mache ich hier. Frankfurt am Main 1993 (Fischer - Tb. 10362, zuerst 1989)

Spuren (4)  »Ich hörte dich einmal behaupten, es sei schwierig für einen Menschen, einen Gegenstand täglich in Gebrauch zu haben, ohne den Stempel seiner Persönlichkeit darauf zu hinterlassen, so daß ein trainierter Beobachter sie davon ablesen kann. Nun, ich habe hier eine Uhr, die erst kürzlich in meinen Besitz gelangt ist. Möchtest du die Güte haben, mir eine Vorstellung vom Charakter oder den Gewohnheiten ihres vorigen Eigentümers zu geben?«

Und ich händigte ihm die Uhr aus; nicht ohne eine leichte Regung vergnügten Spottes. Denn dies war, wie ich glaubte, ein unmöglicher Test, und ich beabsichtigte, ihm wegen des irgendwie dogmatischen, allzu sicheren Tones, den er anzunehmen pflegte, eine Lehre zu erteilen. Er wog die Uhr in der Hand, starrte auf das Zifferblatt, öffnete den hinteren Deckel und examinierte das Werk, zuerst mit bloßem Auge, dann mit einer dicken Lupe. Als er die Uhr schließlich wieder zuschnappen ließ und mir zurückgab, konnte ich mich eines Lächelns über seine niedergeschlagene Miene kaum erwehren.

»Es sind fast keine Daten zu sehen«, bemerkte er. »Die Uhr ist vor kurzem gereinigt worden, das beraubt mich der wichtigsten Details.«

»Du hast recht«, antwortete ich. »Man hat die Uhr gereinigt, ehe man sie mir schickte.« Im stillen fand ich, daß mein Freund sich mit einer recht lahmen und schwachen Entschuldigung aus der Affäre zu ziehen versuchte. Was für Details konnte er von einer nicht gereinigten Uhr erhoffen?

»Wenn meine Untersuchung auch unbefriedigend ausfiel, so war sie doch nicht ganz vergebens«, sagte er jetzt, mit träumerischen, glanzlosen Augen zur Decke starrend. »Bitte, unterbrich mich, wenn ich irre, aber ich möchte doch annehmen, daß die Uhr deinem älteren Bruder gehörte, der sie von eurem Vater erbte.« »Das schließt du vermutlich aus dem H. W. auf dem Deckel?«

»Ganz richtig. Das W. ist der Anfangsbuchstabe deines Familiennamens. Das Datum der Herstellung liegt etwa fünfzig Jahre zurück, und die Initialen sind ebenso alt wie die Uhr; sie wurde also für jemanden aus der vorigen Generation angefertigt. Schmuck und ähnliche wertvolle Stücke vererben sich gewöhnlich auf den ältesten Sohn, der wahrscheinlich denselben Namen wie der Vater trägt. Dein Vater aber ist, wenn ich mich recht erinnere, seit Jahren tot. Die Uhr befand sich also wohl im Besitz deines ältesten Bruders.«

»Soweit richtig«, sagte ich. »Sonst noch etwas?« »Er war ein Mann, der wenig Wert auf Sauberkeit legte — sehr wenig Wert sogar. Ein sorgloser Mensch, der in guten Verhältnissen dastand, als er sein Erbe antrat, aber alle Chancen mutwillig beiseite warf, eine Zeitlang in Armut lebte, mit gelegentlichen Aufschwüngen zum Wohlstand, schließlich sich dem Trunk ergab und starb. Das ist alles, was ich erkennen kann.«

Ich sprang von meinem Stuhl auf und durchmaß, Bitternis im Herzen, mit ungeduldigen Schritten den Raum. »Das ist deiner nicht würdig, Holmes«, sagte ich. »Nie hätte ich geglaubt, daß du dich selbst so erniedrigen könntest. Du hast dich nach den Lebensumständen meines unseligen Bruders erkundigt, und nun behauptest du, diese Kenntnisse seien ein Ergebnis deiner Kombination. Du bildest dir doch nicht im Ernst ein, ich würde glauben, daß du dies alles von seiner alten Uhr abliest. Es ist nicht gerade liebenswürdig. Ja, es hat, offen gesagt, etwas von Scharlatanerie an sich.«

»Mein lieber Doktor«, entgegnete er freundlich, »nimm bitte meine Entschuldigung an! Da ich die Angelegenheit als ein abstraktes Problem betrachtete, vergaß ich ganz, daß sie dich persönlich betrifft und dir schmerzlich sein muß. Doch ich versichere dir, davon einmal abgesehen, daß ich nichts von deinem Bruder wußte, bis du mir die Uhr in die Hand drücktest.«

»Dann erkläre mir, wie du zu diesen Einzelheiten gekommen bist. Sie stimmen Zug für Zug.« »Ach, da habe ich etwas Glück gehabt. Ich konnte nur die beiden Schalen auf der Waage der Wahrscheinlichkeit in Einklang bringen. Daß ich es genau treffen würde, nahm ich nicht an.«

»Aber war es nicht mehr oder minder Raterei?«

»Nein, nein, aufs Raten lasse ich mich nie ein. Das ist eine empörende Angewohnheit — verderblich für das logische Denken! Was dir seltsam vorkommt, ist es nur deshalb, weil du meinem Gedankengang nicht folgst oder die kleinen Dinge nicht beachtest, von denen weitreichende Schlüsse zuweilen abhängen. Ich konstatierte zum Beispiel sofort, daß dein Bruder sorglos war. Wenn du den unteren Teil des Gehäuses ansiehst, bemerkst du, daß er nicht nur an zwei Stellen verbeult ist, sondern überall voller Kratzer und Zeichen; das kommt davon, daß man andere harte Gegenstände, Münzen etwa oder Schlüssel, in derselben Tasche aufbewahrt. Und die Annahme, daß ein Mann, der eine Uhr im Wert von fünfzig Guineen so nachlässig behandelt, überhaupt einen sorglosen Charakter hat, ist doch nicht allzuweit hergeholt. Noch liegt der Rückschluß besonders fern, daß jemand auch sonst nicht schlecht gestellt ist, wenn er ein so wertvolles Stück geerbt hat.«

Ich nickte, um ihm zu zeigen, daß ich seinen Argumenten folgen konnte.

»Wenn Pfandleiher«, so fuhr Holmes fort, »bei uns in England eine Uhr annehmen, kratzen sie meistens die Nummer des Pfandzettels mit einer Stecknadel auf die Innenseite des Deckels. Das ist handlicher als ein angeklebter Zettel, der immerhin verloren oder vertauscht werden kann. Nun sieht man durch meine Lupe nicht weniger als vier solche Zahlen an dieser Uhr. Woraus ich schließe — daß in der Kasse deines Bruders öfter Ebbe herrschte. Ich schließe weiter, daß er gelegentlich wieder zu größeren Summen kam, denn sonst hätte er das Pfand nicht auslösen können. Schließlich darf ich dich bitten, dir die innere Metallplatte mit dem Schlüsselloch anzusehen. Beachte die unzähligen Kratzer rings um das Schlüsselloch: Zeichen, daß der Schlüssel ausrutschte. Welcher nüchterne Mensch hätte sich so ungeschickt benommen? Doch du findest diese Spuren auf der Uhr jedes Trinkers. Was ist also Geheimnisvolles an alldem?« - Sir Arthur Conan Doyle, Im Zeichen der Vier. Berlin u.a. 1972 (Ullstein-Tb. 2744)

Spuren (5) »Jemand hat neben den Schienen seine Blase erleichtert.«

Maigret hätte fragen mögen: »Ein Mann oder eine Frau?«

Denn schließlich, so trivial dies auch sein mag, ein stehender Mann und eine hockende Frau hinterlassen beim Urinieren nicht die gleichen Spuren, vor allem wenn es sandiger Boden ist. - Georges Simenon, Maigret in Arizona. München 1976 (Heyne Simenon-Kriminalromane 16, zuerst 1949)

Spuren (6)  George Langelaan hat Berichte über ein sonderbares Tier zusammengetragen, das im Meer lebt und über Land laufen kann. Seine Spuren wurden in England, Holland und auf den Kerguelen-Inseln gesehen und verfolgt. Da waren kleine, hufeisenförmige Abdrücke von etwa zwölf auf acht bis neun Zentimeter zu sehen, denn stets lag Schnee, wenn das Tier an Land kam, und die Fährte ließ sich weithin verfolgen. Sie begann am Strand, ganz so, als sei das Tier dem Meer entstiegen, und lief in schnurgerader Linie unaufgehalten über Dörfer, Wälder, Gehöfte, über Mauern und Hausdächer, durch Wasserarme und Seen, unter Sträuchern hindurch. Kein Hindernis achtend, verlief sie, immer ein Abdruck genau 28 Zentimeter hinter dem anderen, über 150 bis 200 Kilometer, entstanden in einer einzigen Nacht.

Zoologen kamen, staunten, diskutierten und gaben ihre Deutung ab: ein kleiner Esel, ein Wolf, ein Kaninchen, ein Steinbock, ein Känguruh, ein Vogel. Die Laien fanden diese Sammlung von Antworten unbefriedigend, einige zerbrachen sich den Kopf darüber, wie wohl der Esel und das Kaninchen auf die Dächer gestiegen sein sollten oder was das Känguruh nach England verschlagen haben mochte; die meisten aber dachten praktischer: Sie verriegelten die Türen und hielten Kinder und Hunde im Haus. Bewaffnete Männer verfolgten die Spur über ihre volle Länge und fanden nichts. Die Fährte endete wieder im Meer. Alte Weiber behaupteten, der Teufel in Person habe die Landschaft besucht, und damit kamen sie der Sache so nahe wie die Zoologen zuvor. - (buch)

Spuren (7)

Diese Fußstapfen des Yeti wurden 1951 fotografiert

- (hoe)

Spuren (8)

Spuren (9)



Wirkung Gehen

 

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Spur