ergeiß Zum
einen war Gurù bestimmt ein »Mondwesen« (das heißt sie war unfruchtbar), wie
es sich erweisen würde, sobald sie sich verheirate. Es ist eine Binsenwahrheit,
daß Jener Freund (das heißt der Dämonische, der Namenlose) gerade unter solchen
Menschen - ihre Bezeichnung haben sie nicht ohne Grund - vorzugsweise die Werwölfe
aussucht. Was Werwölfe sind, wissen ja schon die Wickelkinder; es sind keine
eigentlichen Hexen oder Zauberer, obwohl sie bei Bedarf zu hexen imstande sind,
aber angenehm sind sie sicher nicht, und mit Jenem Freund haben sie wohl oder
übel zu tun. Neben den zahlreichen Nachteilen, welche diese Einrichtung der
Hölle mit sich bringt, gibt es einen einzigen Vorteil, und zwar, daß unter gewissen
Umständen die Werwölfe vor »dem Unheil« (das heißt dem Blitz)
zu schützen vermögen; als Menschen büßen sie für die Sünden, die ihre Vorfahren
und ganz allgemein alle Toten begangen haben, die ohne Begräbnis
oder Beichte gestorben sind, als Wölfe sind sie natürlich
Werkzeug des Teufels, der sich ihrer auf verschiedene Weise bedient, mit Ausnahme
der eben erwähnten. Man soll aber nicht glauben, es gäbe lediglich Werwölfe,
theoretisch ist ein Austausch, ganz oder teilweise, mit jedem Tier möglich;
auf dem Gehöft von C. lebte eine Frau, die den eigenen Kopf regelmäßig einer
ihrer Kühe abtrat und dafür deren Hornschmuck erhielt; im Gehöft von L. war
eine andere, die zum Uhu wurde, während der Uhu seinerseits als Mutter ihrer
Kinder diese mit Geckos und Taranteln futterte (was Anlaß zu zahlreichen weiteren
Komplikationen gab); im Hof von S. lebte ein Mann, der sich in eine Schlange
verwandelte und zischte, und so weiter. Nun hatte man bemerkt, daß Gurù sich
besonders gut mit den Ziegen verstand, die von überall
her zu ihr kamen, wie die Vögel zum heiligen Franziskus. Daraus ging hervor,
daß sie, wie die Alte sich ausdrückte, eine »Wergeiß« sein mußte.
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Tommaso Landolfi, Der Mondstein. Zürich 1995 (zuerst 1972)
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