Ein Werwolf eines Nachts entwich Der Dorfschulmeister stieg hinauf »Der Werwolf«, sprach der gute Mann, Dem Werwolf schmeichelten die Fälle, Der Dorfschulmeister aber mußte gestehn, Der Wolf erhob sich tränenblind — |
- Christian Morgenstern
Werwolf (2) Das Wau Wau steigerte sich rastlos,
fast rhythmisierend, aufsteigend. Mir schwebte der Vergleich mit den Soffioni
in den Maremmen vor den Sinnen. So eine Art Geyser von Au- und Waulauten betäubte
uns geradezu. Wie konnte ein menschlicher Körper das aushalten? Auf einmal stieg
sein Schreien in die schrillste Stimmlage, deren ein solches Gebell, mit äußerster
Heftigkeit, nur fähig sein kann! Noch erschrak Frau Ermenegilda. Mitschreiend
klammerte sie sich an mich. Ihr Ruf »aiuto!« mischte sich in das Wau Wau Wau
ihres Mannes. Ich selbst schien mir schmerzhaft von Schreien, Bellen und Umklammertsein
von der Verängstigten emporgerissen, nicht herabgezerrt? Wie kam das? Das Gebell
klapperte, schrillte und zerrte an den Möbeln, der Spiegel klirrte: Wau! Äußerstes
Wau, riß Möbel, Frau Braccioletti und mich schräg aus dem Gleichgewicht.
Es klapperte: Erdbeben fühlte ich, Erdbeben, dachte ich, Erdbeben wußte und
schrie ich zugleich. Das Gebell hatte aufgehört. Das Zimmer kam wieder wie in
Pendelschwingungen zur Ruhe. Frau Braccioletti war ohnmächtig. Stille. Hilferufe.
Kein Licht auf der Straße. Rufe: Erdbeben! Ein zweiter Stoß. Frau Braccioletti
wie tod. Ich und die Möbel in einen Schwindel-Wirbel hineingerissen. Kein Gebell.
Höchst verwunderlich. Man stürzte auf die Straße. Der Lärm von der Gasse wurde
unheimlich. Immer angsterfüllter. Erdbeben! Erdbeben! Der Beller im Nebenzimmer
hatte das Erdbeben in seinen Wau Wau-Rufen vorhergespürt, in meinem Gefühl mit
hervorgerufen. Nun war der Werwolf stumm. Auf der Straße schrie man die ganze
Nacht. - Theodor Däubler, Der Werwolf.
In: Jenseits der Träume. Seltsame Geschichten vom Anfang des Jahrhunderts. Hg.
Robert N. Bloch. Fankfurt am Main 1990 (st 1595, zuerst 1921)
Werwolf (3) Einige der Parnasser wanderten
nach Arkadien aus und ließen dort die abscheulichen Bräuche Lykaons wieder aufleben:
Bis zum heutigen Tage wird ein Knabe dem Zeus Lykaios geopfert. Seine Eingeweide
werden mit anderen Eingeweiden in einer Suppe vermengt, die dann Schafhirten
am Ufer eines Flusses vorgesetzt werden. Ein Hirte, der die Eingeweide
des Knaben ißt — er wird durch das Los bestimmt —, heult plötzlich wie ein Wolf,
hängt seine Kleider an eine Eiche, schwimmt über den Fluß und wird ein Werwolf.
Acht Jahre verbringt er unter den Wölfen. Wenn er aber während dieser Zeit kein
Menschenfleisch frißt, darf er zurückkehren, über
den Strom schwimmen und seine Kleider wieder anziehen. Vor nicht allzu langer
Zeit verbrachte ein Parnasser, genannt Damarchos, acht Jahre unter den Wölfen,
kehrte dann zu den Menschen zurück und gewann, nach zwei Jahren harter Übung
im Gymnasion, den Preis im olympischen Faustkampf. - (
myth)
Werwolf (4) Werwolf.
Im nahen Wald raschelt das Blattwerk in der Abenddämmerung.
Jemand ist da der beobachtet und darauf lauscht, was im Haus vorgeht.
Der Alte zittert aber schweigt. Er schaltet das Hof licht ein. Die Blätter
sind still. - Robert Pinget, Tintenkleckse. Monsieur Traums letztes Notizheft,
Berlin 1997
Werwolf (5)
Werwolf (6) Wenn man den Ausdruck Werwolf betrachtet, so heißt es zwar landläufig, daß das Wort Wer Mann bedeuten soll, aber nach den anderen Sprachformen, die wir für Werwolf haben, nämlich z. B. Loup-Garou und War-kalak halte ich für sehr wahrscheinlich, daß Wer: Afra bedeutet, das heißt Sonne im Nachtstand. Ich glaube bestimmt, daß auf Grund der alten, auch in Europa früher vollkommen heimischen taoistischen Begriffe die Vorstellungsform wie folgt ging: Wenn ein Mensch nicht mehr er selbst ist, sondern außer sich, das heißt also, wenn er im Schlaf ohne Geist daliegt, wenn er in der Krankheit völlig verändert oder auch gestorben ist, so kann die Bewegung seines Geistes oder seiner Seele nicht einfach aufgehoben sein, sondern durch die Bewegtheit seines Geistes wird in der Zeit seiner Passivität ein anderes Wesen in Betrieb gesetzt.
Mit anderen Worten gesagt, denke ich, daß die Vorzeit nicht nur ein Gesetz
von der Erhaltung der Energie annahm, sondern auch
ein Gesetz von der Erhaltung der Bewegung. Daß eine
solche Annahme möglich ist, kann niemand bezweifeln: Wie sich unsere eigene
Weltkenntnis in der nächsten Zeit zu ihr verhalten wird, läßt sich noch nicht
entscheiden. Unter einem solchen Gesetz nun ergibt es sich von selbst, daß die
Seele eines Schlafenden z. B. in eine Maus, in ein Wiesel, in einen Vogel verwandelt,oder
auch als Rauchwolke sich in der Welt bewegt, Erlebnisse hat und Funktionen durchführt,
nach deren Ende sie wieder in den Menschen eingeht, worauf bald das Erwachen
folgt und der Mensch selbst die Bewegungen fortsetzt. - Ernst Fuhrmann, Das Tier in der Religion. München
1922
Werwolf (7, japanischer)
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