erständigung, himmlische  Zitternd vor Inbrunst fragte er den Engel, wie denn ein solches Fliegen wider alle Gesetze der Naturwissenschaft möglich sei. Da lachte sie ihn aus; ihr Lachen klang wie eine helle kleine Glocke.

„Ihr Männer", sagte sie, „seid immer so versessen auf Gesetze und Meinungsstreit und habt einen ungeheuren Glauben an die Worte, die ihr aus euren Bärten herauslaßt. Ich aber will dich davon überzeugen, daß wir einen Mund für süßeres Gespräch haben, und einen süßeren Mund für das Gespräch. Ich will dich lehren, wie Engel und Menschen ohne Meinungsstreit zu voller Verständigung gelangen, auf die himmlische Art." Dies also tat sie.

Einen Monat lang war des Soflas Glück so groß, daß sein Herz es nicht zu fassen vermochte. Er hatte keinen Gedanken mehr für seine Arbeit, indes er sich ein übers andere Mal der himmlischen Verständigung überließ. Er sagte zu Thusmu: „Ich sehe jetzt, wie recht der Engel Eblis hatte, als er zu Gott sprach: ,Ich bin besser geschaffen als Adam. Ihn hast du nur aus Erde gemacht, mich aber aus Feuer.'" Und auch dies zitierte er ihr aus der Heiligen Schrift, und seufzte dazu: „,Wer aber den Engeln feind ist, der ist Gott selber feind.'"

Er behielt den Engel bei sich im Hause, denn sie hatte ihm gesagt, der Anblick ihrer Lieblichkeit würde die Uneingeweihten, die Leute von Schiras, erblinden machen. Nur bei Nacht stieg sie mit ihm aufs Hausdach, und sie schauten zusammen in den jungen Mond.

Nun begab es sich aber, daß die Tänzerin den Theologen sehr lieb gewann; denn er war hübsch anzusehen, und seine unverbrauchte Kraft machte ihn zu einem großen Liebhaber. Ihm ist alles zuzutrauen, sagte sie sich allmählich. Aus ihrer Unterhaltung mit dem alten Minister hatte sie schon den Eindruck gewonnen, daß er den jungen Mann und seine Flügel als eine Gefahr empfand, als verderblich für sich selbst, seine Standesgenossen und den Staat, und nun festigte sich in ihr der Gedanke, daß sie recht gern den alten Minister, seine Amtsgenossen und den Staat wollte zugrundegehen sehen. Ihre Liebe zu ihrem jungen Freund ließ ihr Herz beinahe ebenso weich werden, wie das seine war.

Als der Mond voll wurde und die ganze Stadt in sein Licht tauchte, saßen die beiden zusammen auf dem Dach. Der junge Mann ließ seine Hände über sie hinwandern und sprach: „Seit ich dich getroffen habe, sind meine Hände auf eine eigene Weise lebendig geworden. Ich merke jetzt, als Gott den Menschen Hände gab, da hat er ihnen ein ebenso großes Liebeszeichen erwiesen, als hätte er ihnen Flügel geschenkt." Bei diesen Worten hob er seine Hände in die Höhe und schaute sie an.

„Lästere du nicht", sagte sie und seufzte leise. „Nicht ich, sondern du bist ein Engel, und du hast in der Tat in deinen Händen wunderbare Kraft und Lebendigkeit. Laß es mich noch einmal spüren."  - Tania Blixen, Schicksalsanekdoten. Reinbek bei Hamburg 1988 (zuerst 1958)

 

Verständigung

 

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