rauerweide Diese Type wird so genannt, weil er wirklich egalweg wie eine Trauerweide aussieht, und zwar besonders dann, wenn jemand ihn anzupumpen versucht. Genauer gesagt, wenn jemand, der ihn anpumpen will, sich zwei Minuten lang sein Gejammer anhören kann, wie schlecht es ihm geht, ohne selbst in bittere Tränen auszubrechen, dann muß er wirklich ein sehr hartherziger Geselle sein.
Schmerzenskind, der Tipster, erzählt mir, wie er Trauerweide einmal um einen
Zehner anzupumpen versucht, und nachdem Trauerweide ihm auseinanderklaubt, wie
hundsmiserabel es ihm geht, tut es ihm so leid, daß er hingeht und jemand anders
um den Zehner anpumpt und ihn Trauerweide gibt, obwohl allgemein bekannt ist,
daß Trauerweide eine Menge Zaster auf der hohen Kante hat. - Damon Runyon, Stories vom
Broadway. Reinbek bei Hamburg 1963 (rororo 566, zuerst ca. 1935)
Trauerweide (2) Die Weide war seit
Ewigkeiten morsch und schien sich bei jedem Windstoß, der aus dem Tagebaugelände
heranstürmte, bedrohlicher über die Straße zu beugen, doch der riesige Baum
hielt seit Jahren stand. Sein bis zum Boden hängendes Gezweig peitschte die
schmale Grünfläche und fegte Laub und Reisig aus dem Gras auf die Straße hinunter:
nicht nur einmal verfiel ich einer makabren Täuschung, — die Rutenbündel, pendelnd,
wirbelnd und wehend, -wirkten aus den Augenwinkeln gesehen wie die Körper einiger
Gehenkter, die im Wind die Beine schlenkerten. Dazu hatte der Baum die Eigenheit,
laut zu ächzen und zu stöhnen. Wenn ich etwas zu
schreiben versuchte und am rechten Rand der Zeile angekommen war, flogen mir
wie von ungefähr die Schatten der schaukelnden Zweige in den Sichtkreis, ihre
Bewegungen waren im Fensterglas, denn die Weide selbst konnte ich nicht sehen...
gleichzeitig hörte ich ihr schauriges Geräusch; mein Blick fuhr herum, ich benötigte
einige Zeit, um mich zu vergewissern, meine Wahrnehmungen zu ordnen. Manchmal
jedoch verließ mich die Sicherheit ganz und ich lief hinaus, um mich zu überzeugen,
daß nicht Gespenster mich narrten. Es gab Nächte,
in denen ich die Unruhe jener Schatten fortwährend an der Seite spürte, in denen
es mir nicht gelang, von ihnen abzusehen, ihr Dasein... die Halluzination von
Gehenkten in der Nähe, die knirschenden Schreie des Geästs, das diese Lasten
trug... nahm Einfluß auf mein Denken, trübte mir jede klare Überlegung, es war,
als ob ein nicht beherrschbares Wesentliches in mein Bewußtsein wehte. -
(
hilb
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