Teufels Küche   Mit geschlossenen Augen lag sie da, murmelte polnische Worte, graunzte mit dünner Stimme Verwünschungen und warf sich im Bett umher, so daß es mir mit der Zeit ganz unheimlich wurde. Ratlos stand ich da; ich wußte nicht, was ich beginnen sollte. Schließlich erinnerte ich mich, daß man Fieberkranken kalte Umschläge machen müsse; ich nahm also das Handtuch, tauchte es in das Waschlavoir und legte ihr das nasse Zeug auf die Stirne. Das schien sie zu beruhigen, wenigstens hörte sie mit dem nervenzermürbenden Stöhnen auf. Ich wartete noch eine Weile, dann zog ich die Stiefel aus, legte mich auf das Sofa, breitete meinen Mantel über mich her und versuchte einzuschlafen. Das wollte mir zuerst gar nicht gelingen, mit ängstlichem Mißtrauen spähte ich nach dem Bett der Kranken; ich wartete jeden Moment, sie aufstehen und auf mich zukommen zu sehen. Warum ich das eigentlich erwartete, weiß ich nicht; nur das eine weiß ich noch, daß aus der Tiefe meiner Seele ein schreckliches Grauen heraufkroch, das ich nur mit Mühe zu unterdrücken vermochte. Der ungewohnte süßliche Geruch im Zimmer, die bunten Fetzen, die überall herumlagen, die verzierten Hurenstiefel, die vielsagend am Ende des Bettes auf dem Boden standen, der Irrigator, der neben dem Waschtisch an der Wand hing und dessen Funktion mir gänzlich unbekannt war, das alles übte in der vagen Beleuchtung der kleinen Nachttischlampe einen schreckhaften Eindruck auf mich aus; ich fühlte mich so recht verloren in des Teufels Küche. Die ganze Welt schien mir krank und elend; mit Sehnsucht erwartete ich den Morgen, der mich aus der Pein dieser Umgebung erlösen sollte. Ich weiß nicht mehr, wann und wie ich eingeschlafen bin; ich erwachte nach einem scheußlichen Traum plötzlich durch ein langgezogenes Heulen.  - Rudolf Schlichter, Das widerspenstige Fleisch. Berlin 1991 (zuerst 1932)

Teufels Küche (2)  Das eben erst fertiggestellte Hauptgebäude lag an der Ecke 61. Straße und Tenth Avenue, ein sechsstöckiger Backsteinbau unmittelbar gegenüber dem verrufensten Block der kriminellen West Side von New York, San Juan Hill oder Teufels Küche, wie man es damals nannte. Nach Einbruch der Dunkelheit gingen wir, Männer und Frauen, nur selten ohne Begleitung aus. Praktisch jedes Wochenende gab es Schießereien, Krawalle und Schlimmeres. Angeblich war dieser Block, der am dichtesten bevölkerte der ganzen Stadt, von einem komplexen Tunnelsystem durchzogen, so daß jemand, der vor der Polizei das Weite suchte, nur irgendeinen Eingang zu erreichen brauchte, um auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. - (wcwa)

Teufels Küche (3) Die Polizei hatie ein ziemlich übel zugerichtetesjunges Mädchen eingeliefert. Normalerweise gaben wir uns mit solchen Fällen nicht ab, doch unter diesen Umständen mußten die Schwestern sie wenigstens ein bißchen wieder zurechtflicken. Wobei sie herausfanden, daß es gar kein Mädchen war, sondern ein Junge. Offenbar hatte er in den Torwegen und Hauseingängen des Blocks Freier empfangen, die übliche billige Nummer im Stehen; und einer seiner Kunden war ihm auf die Schliche gekommen. Der junge Mann hatte sich nämlich, um seine Chancen am Markt zu verbessern, eine aufblasbare Gummivagina zwischen die Beine geschnallt. Eine Zeitlang muß das gutgegangen sein, bis dieser eine Kerl sich betrogen sah, das Ding betastete und darauf dem Anbieter einen Kinnhaken verpaßte. Und dann ging es los!  - (wcwa)
 
 

Teufel Küche New York

 

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