toffhändlerin Diese
Dame wendet mir ihren Kopf zu, der nicht ohne Würde ist. Ziemlich tief eingegrabene
Gesichtszüge, eine gebogene Nase, eine Haut, die
schon nicht mehr jene zum Kneifen verlockende Spannkraft der Jugend haben dürfte,
ein dicklicher Hals, der zur Schmalheit des Gesichts nicht im Widerspruch steht,
spärliche blonde Wimpern und etwas gerötete Augen, die dem Ganzen ein irgendwie
nokturnes Gepräge geben, keine Schminke und gerade soviel Puder, daß man meint,
eine Gesellschaftsdame oder eine Gouvernante vor sich zu haben, das Haar ...
das Haar verdiente ein besonderes Kapitel, da es nicht nach der Mode frisiert
ist, diskret ge-, tönt und nicht zu hoch aufgesteckt ist wie bei den Kassiererinnen,
aber auch nicht zu platt anhegt wie bei den Kindermädchen. Die Inhaberin legt
ihre Handarbeit behutsam beiseite und kommt auf mich zu. Ich weide mich nun
an ihrer Kleidung. Der Rock ist weit und kürzer als man sie heutzutage macht,
in der Mode von 1917 etwa, mit betonter Taille. Das ganze Kleid ist in einer
grellen Zwischenfarbe gehalten (seht selbst zu): eine Art Zwetschgenrot, ein
Essigton, der den Eindruck einer lebhaften Farbe erweckt, so wie der Flitterkram
auf Jahrmärkten einen an Diamanten gemahnt. Das spielt ins verblassend Johannisbeerfarbene,
ins Rot reifer, von Vögeln angepickter Kirschen, erinnert an jene akademischen
Ehrenschleifen, die bei Tageslicht säuerlich wirken... ich hab's, das Kleid
ist Sonnenblumen- bis leicht urinfarben. Der runde Ausschnitt der Bluse entblößt
lediglich den Nacken, wo das Haar flaumig ist, und das Dekolleté
läßt vorn gerade nur das Schlüsselbein sehen, wo zierlich die zusammenlaufenden
Sehnen des Halses hervortreten. Doch das Wunder der Wunder ist die Bluse, ein
Meisterwerk der Applikationskunst in einer längst verschwundenen Machart. Daß
man heute keine Boleros mehr trägt, finde ich schade: aber was soll man von
dem falschen Bolero halten, der nicht wie der echte lose anliegt, sondern mit
auffälligen Steppstichen, die ein Muster bilden, an das Kleid festgenäht ist?
Und stellt euch vor, die ganze Bluse ist hebevoll besetzt mit Bändern und Borten
von einem Grün, das etwas lebhafter ist als Mandel und etwas blasser als Kohl:
die Bänder, in kleine flache Falten gelegt, bilden Motive, die unweigerlich
an eine Schnecke und an den Wandschmuck der Rathäuser in den Vororten erinnern.
Hinzu kommt, daß dieser Gainsborough oder Winterhalter, obwohl recht munter,
nicht eben ein Musterbild der Wollust ist: ihre Figur ist in honetter Weise
aus der Form geraten, und wäre in ihrem Habitus nicht eine gewisse eulenhafte
Besorgnis, hätte sie nicht diesen forschenden Blick,
könnte diese Frau, Monsieur, Ihre Mutter oder Ihre
Haushälterin sein. -
(ara)
Stoffhändlerinnen (2) »Hier, hier!«
rief der Leutnant. Und der Majoratsherr wollte
eben in einen Laden treten, als er statt der Esther, ein grimmig Judenweib,
mit einer Nase wie ein Adler, mit Augen wie Karfunkel,
einer Haut wie geräucherte Gänsebrust, einem Bauche wie ein Bürgermeister, darin
erblickte. Sie hatte sich ihm schon mit ihren Waren empfohlen, und gefragt,
ob sie auf sein Zimmer kommen solle, sie wolle ihm das Schönste zeigen, auch
wenn er keine Elle kaufen möchte, denn er sei ein schöner Herr! - Schon wollte
er eintreten, als der Leutnant ihn am Rock zupfte, und zuflüsterte: »Hier im
andern Laden ist die schöne Esther!« - Da wendete er sich fort, und sagte verlegen:
er wolle nichts kaufen, er hätte sich nur nach einem Komödienzettel an der Ecke
umgesehen, und mit diesen Worten wandte er sich nach dein Nebenladen, wo er
Esther zu sehen erwartete. Aber die alte Jüdin ließ ihn noch nicht los. Sie
rief eifrig: »Junger Herr! hier im Winkel ist auch ein Zettel, ich habe vielleicht
auch einen im Laden! Treten Sie ein, ich habe auch den Zettel von den spanischen
Reitern!« Der Majoratsherr ward dadurch gestört, und blickte sich um, erschrak
aber, daß die Jüdin einen schwarzen Raben au£ dem Kopfe trug, und verweilte.
Unterdessen hatte der Leutnant schon ein Gespräch mit Esther angeknüpft, welche
ihm ohne Zudringlichkeit Bescheid gegeben. Dieser zog den Majoratsherrn in den
Laden der Esther, und nun erschallte hinter ihm ein fürchterliches Rabengekrächze
aus dem Munde der alten Jüdin. In halb hebräischen Schimpf reden, und im verzerrtesten
Judendialekt zeihte sie die arme Tochter der Unkeuschheit, mit der sie Christen
in ihren Laden locke, um ihrer eigenen Mutter den Verdienst zu rauben, und verfluchte
sie dabei zu allen Martern. Endlich ließ der Atem des wütenden Weibes nach,
der trotz der warmen Luft, wie im Winter geraucht hatte, und sie hetzte vergeblich
ein paar vorübergehende kleine Buben auf, daß sie ihr sollten schimpfen
helfen, wofür sie ihnen Kuchen versprach. Esther glühte von Schamröte, aber
sie erwiderte nichts- Endlich lief die Alte fort, weil ein Käufer kam. Der Majoratsherr
fragte, wer die grimmige Alte mit dem Raben auf dem Kopfe
gewesen? - »Meine Stiefmutter«, antwortete Esther,
»haben Sie vielleicht das schwarze Tuch mit den langen Zipfeln für einen Raben
angesehen?« -
Achim von Arnim, Die Majoratsherren
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