ichel Die Alte schliff die Sichel, und die Sichel zischte.
Das hörte ein Holzknüppel und fragte: »Wozu schleifst du die Sichel, Alte?«
»Knüppelchen«, erwiderte die Alte, »der Tiger wollte meine Bronzemünze haben, und ich habe sie ihm nicht gegeben. Jetzt will er am Abend kommen und mich auffressen. Aber ich schleife die Sichel und bringe den Tiger um.«
»Alte«, sagte der Knüppel, »ich helfe dir!« »Knüppel, was kannst du schon tun?« »Alte, ich schlafe am Rand deines Bettes!« Der Knüppel stieg aufs Bett und legte sich an den Rand schlafen. Die Alte schliff weiter die Sichel, und die Sichel zischte.
Das hörte ein Frosch, er kam angesprungen und fragte: »Wozu schleifst du die Sichel, Alte?« »Fröschlein, mein Schätzchen«, erwiderte die Alte, »der Tiger wollte meine Bronzemünze haben, und ich habe sie ihm nicht gegeben. Jetzt will er am Abend kommen und mich auffressen. Aber ich schleife die Sichel und bringe den Tiger um.«
»Alte«, sagte der Frosch, »ich helfe dir!« »Schätzchen, was kannst du schon tun?« »Alte, ich setze mich ans Kopfende deines Bettes!« Der Frosch sprang aufs Bett und setzte sich ans Kopfende. Die Alte schliff weiter die Sichel, und die Sichel zischte. Das hörte das Spinnrad und fragte: »Wozu schleifst du die Sichel, Alte?«
»Spinnrad«, erwiderte die Alte, »der Tiger wollte meine Bronzemünze haben, und ich habe sie ihm nicht gegeben. Jetzt will er am Abend kommen und mich auffressen. Aber ich schleife die Sichel und bringe den Tiger um.«
»Alte«, sagte das Spinnrad, »ich helfe dir!« »Spinnrad, was kannst du schon tun?« »Alte, ich setze mich in die Zimmerecke!« Das Spinnrad setzte sich in die Ecke. Die Alte schliff weiter die Sichel, und die Sichel zischte.
Das hörte der Hammer und fragte: »Wozu schleifst du die Sichel, Alte?«
»Hammer«, erwiderte die Alte, »der Tiger wollte meine Bronzemünze haben, und ich habe sie ihm nicht gegeben. Jetzt will er am Abend kommen und mich auffressen. Aber ich schleife die Sichel und bringe den Tiger um.« Als der Hammer das gehört hatte, sprang er in die Höhe und sagte: »Alte, ich helfe dir!« »Hammer, was kannst du schon tun?« »Alte, ich stelle mich auf die Tür!« Der Hammer stellte sich auf die Tür. Als es Abend wurde, war die Sichel blitzblank und messerscharf geschliffen, und die Alte legte sich mit der Sichel ins Bett.
Der Tiger kam und blieb an der Tür stehen. Im Zimmer war es stockdunkel. Er schob sich durch die Tür, aber kaum hatten seine Tatzen den Fußboden berührt, rutschte er auf den rollenden Erbsen aus und lag, bauz, auf der Nase.
Der Tiger rappelte sich auf und wollte Feuer machen, um zu leuchten. Er tastete sich zum Ofenloch, steckte den Kopf hinein und blies in die Glut. Er blies einmal und zweimal, da zerplatzte, puff, das Hühnerei und blies ihm Asche ins Gesicht, daß seine Augen geblendet waren.
Nun suchte der Tiger nach Wasser, um sich die Augen auszuwaschen, aber kaum hatte er den Wasserkübel gefunden und die Tatze hineingesteckt, als ihn die Krabbe mit beiden Scheren packte, daß das Blut nur so spritzte. Vor Schmerz und Wut heulend, wandte sich der Tiger um und wollte sich auf die Alte stürzen. Er schoß hin und her, bis er auf das Bett stieß. Da sprang der Holzknüppel auf und begann zu schlagen. Der Frosch rief vom Kopfende: »Quak, quak, quak! Schlag auf Schlag!«
Und das Spinnrad sang in der Ecke: »Summ, summ, summ! Bringt ihn um!«
Der Tiger bekam Angst. Jetzt stieg auch die Alte mit der Sichel aus dem Bett,
und als der Tiger die Sichel hörte, geriet er erst recht in Verwirrung. Er machte
rasch kehrt und wollte weglaufen, aber auf dem Fußboden kullerten die Erbsen,
der Tiger rutschte aus und prallte gegen die Tür. Da sprang der Hammer von der
Tür und schlug dem Tiger gerade auf den Kopf, daß ihm die Sinne schwanden. Schnell
sprang die Alte dazu, hob die Sichel und schlug den Tiger tot.
- Chinesische Märchen. Übs. und Hg. Rainer Schwarz. Leipzig 1991
Sichel (2)
- Walter Schnackenberg
Sichel (3)
Sichel (4) »Paß auf!«
»Aber ich habe ihn doch gesehen!«
Der schwere Lastzug kroch schwankend vor ihnen her, die Rücklichter waren kaum zu erkennen; die Doppelreifen sprühten nach beiden Seiten scharfe, sichelförmige Wasserfontänen.
Der Anwalt folgte in sicherem Abstand, er hatte durchaus nicht vor, unter
diesen Umständen ein Überholmanöver zu riskieren.
Rechts mühten sich rotbraune Hügel, aus dem Nichts aufzutauchen, ließen hier
ein Stück niederen Buschwald erkennen, da einen Fetzen Olivenhain, dort fünf
oder sechs wie angenagelt am Boden hockende Krähen:
schwarzglänzende reglose Totenvögel. - Fruttero & Lucentini, Der Palio der toten
Reiter, München 1989
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