KW
Während einige Lastwagen offen ihre Branche und den Firmen-
oder Markennamen zur Schau tragen, wobei fast immer auch der Firmensitz angegeben
ist, halten andere dies alles geheim. Nach soundso vielen Lastwagen, die Möbel,
Pferde, Fruchtsaft, Benzin oder spanisches Nougat transportieren, kommt einer
vorbei, der in fast immer graue oder dunkelgrüne Planen gehüllt ist, ohne daß
es möglich wäre, die Beschaffenheit seiner Ladung zu erraten. Diese Kategorie
beunruhigt uns, und wenn wir einen ihrer Vertreter in den Ruhezonen antreffen,
studieren wir ihn sehr aufmerksam, gehen ganz um ihn herum, als würden wir uns
nur die Beine vertreten, doch bisher haben wir uns mit der Feststellung begnügen
müssen, daß sie Nummernschilder wie alle anderen und auch keine besonderen Ursprungsländer
haben. Was transportieren diese immer etwas unheimlichen, immer leicht bedrohlichen
Lastwagen? Ich glaube weder, daß diese Autobahn Teil einer Route des internationalen
Waffenhandels ist, noch, daß der Umstand, daß sie den Charakter ihrer Ladung
verheimlichen, diese Lastwagen vor der Kontrolle durch Polizei oder Zoll bewahrt,
ganz im Gegenteil. Es ist also nicht vorstellbar, daß sie zwischen Bulgarien
und Paris oder zwischen Stockholm und Neapel hin- und herfahren und Raketen
oder Hubschrauber transportieren; aufgrund des enormen Volumens schließen wir
natürlich auch andere explosive Ladungen wie Heroin oder Ginsengwurzeln aus.
Warum also diese Geheimniskrämerei, warum ähneln diese Lastwagen gewissen Vororthäusern,
die sich allem Anschein nach in nichts von den anderen unterscheiden und doch
den Eindruck erwecken, als würden sie von Wesen umschlichen oder bewohnt, die
nicht wie die Bewohner der anderen Häuser sind? Warum, um es tapfer herauszusagen,
machen sie uns so sehr angst? Carol neigt dazu, sich peinliche Ladungen vorzustellen,
bei denen sich keine Spedition trauen würde, sie mit einer Aufschrift zu verkünden
wie diejenigen, die frohgemut Bier oder Schweine transportieren. Sie hat sich
zu der Meinung verstiegen, manche könnten Tapioka, Enthaarungscreme oder lose
Nudeln transportieren, alles Dinge, die man schlecht öffentlich anpreisen kann,
ohne rot zu werden. Ich stimme mit ihr darin überein, daß niemand mit allzu
großem Stolz verkünden würde, er fahre eine Ladung Häkelnadeln oder Babymützchen.
Ihre Ansicht erscheint mir der Beachtung wert, und ich respektiere sie, begnüge
mich aber meinerseits damit, mir Dinge vorzustellen, die weniger kommerziell
sind, die aber unter gewissen Umständen und in bestimmten Kontexten diskret
transportiert werden müssen; so denke ich, daß vielleicht die Regierung eines
regnerischen Landes der Regierung eines trockenen Landes insgeheim eine Wolke
verkauft hat oder daß die Mitglieder eines Clubs von Lüstlingen in Oslo den
Jugoslawen eine Ladung sozialistischer Vibratoren abgekauft haben, die anscheinend
besser bibbern als die aus Hamburg oder aus der Rue Saint-Denis. Und könnte
es nicht sein, daß dieser zweite in eine schwarze Plane gehüllte Lastwagen,
der dem ersten ganz dicht folgt, eine Hundertschaft von Experten im Gebrauch
der besagten Geräte importiert? Das würden SIE doch nicht in Lettern von einem
Meter Höhe erläutern.
Ich habe noch andere Hypothesen: Einer dieser
Lastwagen transportiert vielleicht eine Ladung fettleibiger Holländer, die für
die Diätexperimente eines Mailänder Instituts bestimmt sind, oder umgekehrt;
wie könnte man auch auf den Rastplätzen achtzig Dicke gleichzeitig freilassen?
Außerdem denke ich an eine Sendung Gummihandschuhe, die immer zweideutige Vorstellungen
wecken ... Doch die kühnste Hypothese, in der wir beide übereinstimmten, ohne
daß wir uns allerdings dazu aufraffen konnten, so richtig an sie zu glauben,
ist die, daß alle diese Lastwagen leer sind und einem exzentrischen Schotten
gehören, der sich damit vergnügt, sie kreuz und quer herumfahren zu lassen,
und sich wöchentlich über die Gesichter berichten läßt, die die Zöllner beim
Offnen derselben machen; natürlich ist das ein Vergnügen, das ein Heidengeld
kosten muß, aber da es sich um einen Schotten handelt, liegt gerade darin das
in höchstem Maße Exzentrische. - Julio Cortázar, Carol Dunlop: Die Autonauten auf der Kosmobahn. Frankfurt am
Main 2014 (BS 2481, zuerst 1983)
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