Mystifikation   Weil er die Gunst einiger Schauspielerinnen genossen hatte, war er der festen Meinung, alle Frauen lägen ihm zu Füßen. Davon zum Beispiel ging man aus, um ihn zu falschen Stelldicheins zu locken. Auch redete man ihm ein, er wäre unsichtbar. Dann wieder, er habe sich in ein Waschbecken verwandelt. Doch je übler man mit ihm umsprang, desto fester wurde seine Überzeugung, daß man ihm solchen Schimpf nur anzutun wage, weil er tatsächlich unsichtbar geworden sei. Es wird sogar erzählt, wie man ihn einst beschwatzte, sich beim König um das Amt des Ofenschirmes zu bewerben, worauf er während vierzehn Tagen alles tat, um seine Beine an die Hitze der Kaminglut zu gewöhnen. Ein andermal machte man ihn glauben, der Preußenkönig trage sich mit dem Gedanken, ihm die Erziehung seines Sohnes anzuvertrauen, und ließ ihn sich schriftlich verpflichten, jeglicher Religion zu entsagen.

Eines Tages tat man ihm kund, daß der Zarin Huld auf ihn gefallen sei und er infolgedessen von der Petersburger Akademie demnächst zum Vollmitglied erkoren werde. Nur müsse er vordem noch schnell Russisch lernen, denn es könne sich sehr wohl ergeben, daß man ihn an den Hof berufe. Unverzüglich fing er an zu pauken, bis er nach sechs Monaten dahinterkam, daß er die ganze Zeit niederbretonische statt russische Vokabeln gebüffelt hatte.

Einmal machte man ihm weis, bei einem Duell einen Menschen umgebracht zu haben, und zwar noch ehe richtig blankgezogen war, und daß ihm nun der Tod am Galgen drohe. Man wies ihm ein gedrucktes Urteil vor, ein falscher Gemeindediener rief es laut vor seinem Fenster aus, und schon schnitt sich Poinsinet die Haare ab, verkleidete sich als Abbe, suchte unter bitteren Tränen ein Versteck, bis daß ›der König‹, um der Nation den großen Dichter zu erhalten, Gnade walten ließ. Schließlich trieb man das grausame Spiel so weit, ihm einen Bader auf den Hals zu hetzen, damit ihm dieser einen Zahn ausreiße. Vergebens war da alle Gegenwehr, behauptete der Mann doch, Poinsinet selber habe ihn rufen lassen und ihm dabei streng befohlen, notfalls seinen Widerstand zu brechen.  - Louis Sébastien Mercier, Mein Bild von Paris. Frankfurt am Main 1979 (zuerst 1788, it 374)

 

Täuschung Leichtgläubigkeit

 

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