lauben machen   ALs nu Maria kam da Jhesus war / vnd sahe jn / fiel sie zu seinen füssen / vnd sprach zu jm / HErr / werestu hie gewesen / mein Bruder were nicht gestorben. - Als Jhesus sie sahe weinen / vnd die Jüden auch weinen / die mit jr kamen / ergrimmet er im Geist / vnd betrübt sich selbs / vnd sprach / Wo habt jr jn hin gelegt? Sie sprachen zu jm / HRrr / kom vnd sihe es. Vnd Jhesu giengen die augen vber. Da sprachen die Jüden / Sihe / wie hat er jn so lieb gehabt. Etliche aber vnter jnen sprachen / Kundte / der dem Blinden die augen auffgethan hat / nicht verschaffen / das auch dieser nicht stürbe? Jhesus aber ergrimmet abermal in jm selbs / vnd kam zum Grabe / Es war aber eine Klufft / vnd ein stein darauff gelegt.

JHesus sprach / Hebt den stein abe. Spricht zu jm Martha / die Schwester des Verstorben / HErr / er stinckt schon / denn er ist vier tage gelegen. Jhesus spricht zu jr / Hab ich dir nicht gesagt / So du gleuben würdest / du soltest die herrligkeit Gottes sehen. Da huben sie den stein ab / da der Verstorbene lag. Jhesus aber hub seine Augen empor / vnd sprach / VATER / ICH DANCKE DIR / DAS DU MICH ERHÖRET HAST. DOCH ICH WEIS / DAS DU MICH ALLEZEIT HÖREST / SONDERN VMB DES VOLCKS WILLEN / DAS VMB HER STEHET / SAGE ICHS / DAS SIE GLEUBEN / DU HABEST MICH GESAND.

DA er das gesagt hatte / rieft er mit lauter stimme / Lazare kom her aus. Vnd der Verstorbene kam her aus / gebunden mit Grabtücher an füssen vnd henden / vnd sein angesicht verhüllet mit einem Schweistuch. Jhesus spricht zu jnen / Löset jn auff / vnd lasset jn gehen. Viel nu der Jüden / die zu Maria kommen waren / vnd sahen was Jhesus thet / gleubten an jn.  - Evangelist Johannes, nach lut

Glauben machen (2) Einmal, als Ith so im Walde hockte und nur darauf wartete, daß der Tag verging, fühlte er sich plötzlich von einem Baumstamm angeblickt, der so etwas wie ein Gesicht hatte. Und Ith erschrak, denn Bäume sollten Menschen nicht anschauen. Aber bald erkannte er, daß es wirklich nur ein Baum und kein Mensch war, obwohl er einem Mann glich. Und Ith gewöhnte sich an, mit diesem Baum zu sprechen, vor allem über Lod, weil er sich nicht getraute, mit sonstwem über ihn zu reden, und Ith fand großen Trost darin, sich über Lod auszusprechen. Eines Tages ging Ith mit seiner Steinaxt in den Wald und blieb viele Tage dort.

Er kam bei Nacht zurück, und als die Dorfleute morgens erwachten, sahen sie ein Etwas, das einem Mann glich und doch keinem Mann, und es saß auf dem Hügel, mit abgewinkelten Ellenbogen, und verhielt sich ganz still. Und vor ihm kauerte Ith am Boden, legte eilig Früchte und Fleisch hin und sprang dann zurück, als habe er Angst. Mittlerweile war der ganze Stamm zusammengelaufen und schaute zu, aber keiner wagte sich zu nah heran, weil sie sahen, wieviel Furcht sich in Iths Zügen widerspiegelte. Und Ith ging zu seiner Hütte und kehrte mit einem Jagdspeer und kostbaren kleinen Steinmessern zurück, und das alles legte er mit ausgestreckten Armen vor das reglose Wesen, das einem Menschen glich, und sprang wieder schnell zurück.

Und einige aus der Sippe befragten Ith über das reglose Ding, das einem Menschen glich, und Ith sagte: «Das ist Ged.» Darauf fragten sie: «Wer ist Ged?» und Ith sprach: «Ged schickt uns den Regen und die Ernte, und auch Sonne und Mond sind von Ged.»

Damit gingen die Leute in ihre Hütten, aber im Laufe des Tages kamen ein paar wieder und sprachen zu Ith: «Ged ist nur wie wir; er hat Hände und Füße.» Doch Ith deutete auf Geds rechte Hand, die war nicht wie die linke, sondern glich einer Raubtierpranke, und Ith sagte: «Hieran mögt ihr erkennen, daß er nicht ist wie wir.»

Da sprachen sie: «Er ist wahrhaft Ged!» Nur Lod sagte: «Er redet weder, noch ißt er», doch Ith antwortete ihm: «Der Donner ist seine Stimme und Hungersnot seine Nahrung.»

Hierauf tat der Stamm es Ith nach, und man brachte Ged kleine Gaben von Fleisch, die Ith vor ihm briet, auf daß Ged den Bratendunst riechen möge.

Eines Tages brauste ein gewaltiger Gewittersturm von fern heran und tobte zwischen den Hügeln, und all die Stammesleute versteckten sich in ihren Hütten. Und Ith erschien furchtlos inmitten des Dorfes. Er sagte zwar wenig, aber die Leute dachten, er habe das böse Unwetter schon erwartet, weil das Fleisch, das sie Ged dargebracht hatten, zäh und auch sonst nicht vom Besten gewesen war.

Und Ged wurden nach und nach größere Ehren von den Stammesleuten zuteil als selbst Lod. Und Lod ärgerte sich sehr.

Eines Nachts, als alles schlief, stand Lod auf. beschwichtigte seinen Hund, nahm sein Eisenschwert und ging hügelan.  - Lord Dunsany, Schwert und Idol. In: L.D., Das Land des Yann. Stuttgart 1983. Die Bibliothek von Babel Bd. 8, Hg. Jorge Luis Borges

Glauben machen (3)  Wie kann einer seine eigene Meinung über die Dinge als eine Offenbarung empfinden? Dies ist das Problem von der Entstehung der Religionen: jedesmal hat es einen Menschen dabei gegeben, in welchem jener Vorgang möglich war. Die Voraussetzung ist, daß er vorher schon an Offenbarungen glaubte. Nun gewinnt er eines Tages plötzlich seinen neuen Gedanken, und das Beseligende einer eigenen großen, Welt und Dasein umspannenden Hypothese tritt so gewaltig in sein Bewußtsein, daß er sich nicht als Schöpfer einer solchen Seligkeit zu fühlen wagt und die Ursache davon und wieder die Ursache der Ursache jenes neuen Gedankens seinem Gotte zuschreibt; als dessen Offenbarung. Wie sollte ein Mensch der Urheber eines so großen Glückes sein können! — lautet sein pessimistischer Zweifel. Dazu wirken nun im Verborgenen andere Hebel: zum Beispiele man bekräftigt eine Meinung vor sich dadurch, daß man sie als Offenbarung empfindet, man streicht damit das Hypothetische weg, man entzieht sie der Kritik, ja dem Zweifel, man macht sie heilig. So erniedrigt man sich zwar selber zum Organen, aber unser Gedanke siegt zuletzt als Gottesgedanke, — dieses Gefühl, damit am Ende Sieger zu bleiben, erringt die Oberhand über jenes Gefühl der Erniedrigung. Auch ein anderes Gefühl spielt im Hintergrunde: wenn man sein Erzeugnis über sich selber erhebt und scheinbar vom eigenen Werte absieht, so ergibt es doch dabei ein Frohlocken von Vaterliebe und Vaterstolz, das alles ausgleicht und mehr als ausgleicht. - (mo)

Glauben machen (4)

EINER AUS DEM VOLK: Wer mag der mächtig' Redner sein?

EIN ANDERER: Einem dringt das Wort durch Mark und Bein.

SATYROS: Habt eures Ursprungs vergessen,
Euch zu Sklaven versessen,
Euch in Häuser gemauert,
Euch in Sitten vertrauert,
Kennt die goldnen Zeiten
Nur als Märchen: von weiten.

DAS VOLK: Weh uns! Weh!

SATYROS: Da eure Väter neugeboren
Vom Boden aufsprangen,
In Wonnetaumel verloren
Willkommelied sangen,
An mitgeborner Gattin Brust,
Der rings aufkeimenden Natur,
Ohne Neid gen Himmel blickten,
Sich zu Göttern entzückten.
Und ihr - wo ist sie hin, die Lust
An sich selbst? Siechlinge, verbannet nur!

DAS VOLK: Weh! Weh!

SATYROS: Selig, wer fühlen kann,
Was sei: Gott sein! Mann!
Seinem Busen vertraut,
Entäußert bis auf die Haut
Sich alles fremden Schmucks,
Und nun ledig des Drucks
Gehäufter Kleinigkeiten, frei
Wie Wolken, fühlt, was Leben sei!
Stehn auf seinen Füßen,
Der Erde genießen,
Nicht kränklich erwählen,
Mit Bereiten sich quälen;
Der Baum wird zum Zelte,
Zum Teppich das Gras,
Und rohe Kastanien
Ein herrlicher Fraß l

DAS VOLK: Rohe Kastanien! O hätten wir's schon!

SATYROS: Was hält euch zurücke
Vom himmlischen Glücke?
Was hält euch davon?

DAS VOLK: Rohe Kastanien! Jupiters Sohn!

SATYROS: Folgt mir, ihr Werten!
Herren der Erden!
Alle gesellt!

DAS VOLK: Rohe Kastanien! Unser die Welt! 

- Goethe, Satyros oder Der vergötterte Waldteufel (1773)

Glauben machen (5)   Er schrieb Waschungen und einige nebensächliche, willkürlich ausgewählte Übungen vor, wie es sie in allen Religionen der Welt gibt, Übungen, die das Volk braucht, die aber den einigermaßen glaubensstarken Menschen nicht weiter lästig fallen, so zum Beispiel bei den Muselmanen, zum Pissen der Sonne den Rücken zu kehren, oder bei uns, das Skapulier zu tragen. Er wollte eine Religion für die Menge machen, da er genau wußte, daß es nichts Lächerlicheres gibt als eine Religion, die nicht für die Menge bestimmt ist. Er predigte das Dogma des Fatalismus, das zu Kühnheit und Todesverachtung auffordert, denn in den Augen des Fatalismus ist die Gefahr stets gleich groß, ob man nun auf dem Schlachtfeld die Waffe in die Hand nimmt oder ob man im Bett liegt.  - (sop)

Glauben

 

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