andleben,
britisches
Mr. Frankland von Lafter Hall ist ein älterer Herr mit rotem Gesicht,
weißem Haar und von cholerischem Temperament.
Seine Leidenschaft ist das britische Recht, und er hat viel Geld für Prozesse
ausgegeben. Er kämpft aus Lust am Kampf, es ist ihm ganz gleich, welchen Standpunkt
er in einer Auseinandersetzung einnimmt, und deshalb ist es kein Wunder, daß
es ihn viel Geld gekostet hat. Manchmal verbietet er, irgendeinen Weg zu benutzen,
und fordert die Gemeinde heraus, ihn zur Freigabe des Weges zu zwingen. Oder
er zerstört eigenhändig ein Tor, das einem anderen gehört, und erklärt, daß
seit undenklichen Zeiten dort ein öffentlicher Weg bestanden habe, so daß der
aufgebrachte Eigentümer gezwungen ist, ihn zur Rechenschaft zu ziehen. In alten
Gutsherren~ und Gemeinderechten ist er sehr bewandert, und er wendet diese Kenntnisse
manchmal zugunsten der Einwohner von Fernworthy an und manchmal gegen sie, so
daß entweder er im Triumph die Dorfstraße entlanggetragen oder eine Strohpuppe,
die ihn darstellen soll, öffentlich verbrannt wird, je nachdem, welchen Einfall
er gerade verwirklicht hat. Gegenwärtig soll er sieben Prozesse schweben haben,
die wahrscheinlich den Rest seines Vermögens verschlingen werden; dann wird ihm wohl der Stachel
genommen und er in Zukunft ein harmloser alter Mann sein. Von seiner
Prozeßsucht abgesehen, wirkt er wie ein freundlicher, gutmütiger Mensdi, und
ich erwähne ihn nur, weil Du eine Beschreibung der Leute in unserer Umgebung
wünschtest. Gegenwärtig hat er eine sonderbare Beschäftigung: Er ist Amateur
der Astronomie geworden und besitzt ein ausgezeichnetes Fernrohr, mit dem er
den ganzen Tag auf dem Dach liegt und auf das Moor hinaussieht in der Hoffnung,
den entflohenen Sträfling zu entdecken. Wenn er sich darauf beschränken wollte,
wäre alles schön und gut, aber es geht leider das Gerücht um, daß er Dr. Mortimer
wegen der Ausgrabung des vorgeschichtlichen Schädels in Long Down Schwierigkeiten machen will, weil er ohne Zustimmung
der Angehörigen ein Grab geöffnet habe. - Sir Arthur Conan Doyle, Der Hund von Baskerville. Frankfurt
am Main, Berlin
1967
Landleben,
britisches (2) - Ich habe da eine kleine Aufstellung gemacht, Herr Inspektor ..
.
»940 Uhr: J. Hansel erliegt beim Frühstück einem Herz-anfall. Dr. Adams stellt den Tod fest.
14°° Uhr: Der Beerdigungsunternehmer trifft ein. Hansels Schwester
weigert sich, Totenkleidung herauszugeben; der Beerdigungsunternehmer
nimmt die unbekleidete Leiche so, wie sie ist, und fährt sie im Sarg zur
Leichenhalle.
17°° Uhr: Konstabler Atkins tritt seinen Dienst bei der Leichenhalle an.
Die Leiche liegt im (geöffneten) Sarg. Die Tür ist mit einer Krampe
verriegelt, durch die ein Holzscheit gesteckt worden ist.
23°° Uhr: Konstabler Sticks übernimmt seine Schicht. Er Öffnet die Tür
und wirft einen Blick in die Leichenhalle. Alles unverändert. Schneefall
setzt ein. Anmerkung: Es ist möglich, daß sich in diesem Augenblick,
ohne daß Sticks es bemerkte, eine Katze in die Leichenhalle geschlichen
hat.
3*° Uhr: Williams löst Sticks ab. Er öffnete die Tür nicht, sondern
leuchtet nur mit seiner Taschenlampe ins Fenster. Sticks ist dabei; er
behauptet, daß sich drinnen nichts verändert habe, und geht danach zum
Dorf zurück.
525 -535 Uhr: Smithers teilt dem Posten in Pickering telephonisch mit, daß er einen Polizisten überfahren hat.
550- 6oo uhr: Die Bereitschaftsabteilung aus
Hackey trifft mit Dr. Adams und dem Chef des Polizeipostens ein. Sie
fahren Williams ins Krankenhaus. Auf der Straße, ein-hundertundsiebzig
Yards von der Leichenhalle entfernt, steht der Bentley, der gegen einen
Baum gefahren ist und Williams mit dem Kofferraum oder der hinteren
StoßStange getroffen hat. Williams hat einen Schädelbasisbruch und drei
gebrochene Rippen, Er ist bewußtlos. Der Commander begibt sich zur
Leichenhalle, stellt fest, daß die Tür halb geöffnet ist und einen Meter
davor die Leiche liegt, zusammengekrümmt, auf der Seite; ein Fenster
ist eingeschlagen, die Scheibe nach außen gedrückt, die Scherben stecken
im Schnee. In der Leichenhalle findet er eine Katze, die er mitnimmt.
Die Katze, die schon anfangs außerordentlich unruhig war, stirbt auf dem
Weg zum Ort unter seinen Händen.
Gesicherte Spuren in der Umgebung der Leichenhalle:
1. Die Stiefelspuren des Konstablers Williams haben einen Kreis um
die Leichenhalle beschrieben; diese Spuren entfernen sich von der
Halle, nähern sich schließlich dem eingeschlagenen Fenster, richten sich
dann auf die Straße und enden an der Unfallstelle.
2. Die Fußspuren des Commanders sind kaum wahrnehmbar, weil er
fast ausschließlich in Williams' Fußspuren getreten ist, so daß er sie
von innen her verwischte.
3. Ein ziemlich deutlicher Abdruck eines bloßen Fußes - es wurde
festgestellt, daß er vom linken Fuß des Toten stammte - unter dem
eingedrückten Barackenfenster. Die Zehen der Fußspur zeigen zur Wand,
sind leicht nach innen gebogen, ziemlich tief, wie von einem
beträchtlichen Gewicht eingedrückt.
4. Vom Fenster zur Tür führen um die Ecke des Gebäudes herum
Spuren, als ob jemand auf allen vieren gegangen oder gekrochen wäre; sie
haben tiefe Einsenkungen, die an den Abdruck von Knien erinnern. An
zwei Stellen zeigen die im festen Schnee gut erhaltenen Spuren Merkmale
von Abdrücken der Haut (als ob die Knie bloß gewesen wären).
5. Im tiefen Schnee zwischen den Büschen zum Fluß hin, etwa
achtundzwanzig Meter von der Leichenhalle entfernt, einzelne Spuren
einer Katze, die in der Größe den Pfoten der toten Katze entsprechen.
Die Spuren verlieren sich, als ob die Katze auf einen der Sträucher
geklettert wäre.
6. Auf dem Lehmgrund des Bachs (größte Tiefe in der Nähe der
Leichenhalle: vierzig Zentimeter) dreiundvier-zig, einundvierzig und
achtunddreißig Meter von der Leichenhalle entfernt, sehr undeutliche,
verwaschene und keinerlei Grundlage zur näheren Identifizierung bietende
menschliche Fußspuren, wie von Schuhen. Es ist unmöglich, genau zu
bestimmen, wann sie entstanden sind; nach Ansicht der Experten - vor
zwei bis sechs Tagen.
Anmerkung a). In den unter 4 aufgeführten Spuren und
unter dem Fenster wurden einzelne Holzspäne gefunden, die mit den im
Sarg vorgefundenen identisch sind.
Anmerkung b). Die unter 4 aufgeführten Spuren enden an der Stelle, an
welcher der Körper gefunden wurde; sie reichen nicht bis zur Tür
(Abstand ca. ein Yard).
Anmerkung c). Die geringste Entfernung zwischen dem Ende des von
Konstabler Williams ausgetretenen Pfades, der von dichten
Haselnußsträudiern umrahmt ist, und dem Ufer des Bachs beträgt in
gerader Linie dreizehn Yards. Der Höhenunterschied zwischen dem Pfad und
dem Bach beläuft sich auf etwa eineinhalb Yards (eine ziemlich geringe
Senkung, die hinter der Leichenhalle beginnt und direkt am Wasser in
einem kleinen, ungefähr einen halben Yard hohen Ufer endet).
Steinbrocken unterschiedlicher Größe, vom Umfang einer Kartoffel bis zu
dem eines menschlichen Schädels und selten noch größere, finden sich
gleichmäßig verstreut sowohl im Bachbett, als auch zwischen den
Sträuchern. Es sind Überreste von Grabsteinarbeiten (im letzten Sommer).
Eine gewisse Anzahl dieser Steine steckte gerade noch sichtbar im
Schnee oder knapp unter ihm, dort, wo das Gestrüpp am dichtesten ist.
Zustand der Leiche. Außer dem, was das Protokoll der
Leichenschau anführt, welches die Leiche detailliert beschreibt, ist die
Tatsache auffallend, daß die Totenstarre, deren Vorliegen der
Beerdigungsunternehmer noch am Vortage bestätigt hatte, in den
Extremitäten nicht mehr vorhanden war. Da sie sich in so kurzer Zeit
nicht wieder lösen konnte (im Durchschnitt halt sie fünfzig bis siebzig
Stunden nach dem Ableben an), muß sie jemand gewaltsam unterbrochen
haben.« - Stanislaw Lem,
Die Untersuchung. Frankfurt am Main 1978 (zuerst 1959)
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