Landleben, idiotisches    Der einzelne Idiot benötigt zum Leben mindestens sechs Hektar Grund, teils Waldbestand teils Wiesen, von einem Bach durchflossen oder zumindest mit einer Trinkwasserquelle. Im Sommer weilt der Idiot im kühlen Schatten der Bäume, mit Vorliebe in der Nähe des Bachs, den Sonnenstrahlen setzt er sich nur aus, wenn es die Nahrungsbeschaffung erfordert. Gern hat er Hühner um sich, denn er kann sie gut leiden. Sobald der Hahn einen Wurm oder eine Ähre auf der Erde findet und mit einem besonderen Krähen alle herbeiruft, kommt auch der Idiot angelaufen und entpuppt sich häufig als der schnellste Fresser. Ebenfalls gern hat er Kühe um sich, denn sie sind lieb zu ihm; wenn eine Kuh einen Idioten im kühlen Gras liegen sieht, legt sie sich sofort neben ihn. Offenbar können die Kühe Idioten und Gesunde voneinander unterscheiden, und während sie die letzteren wegen ihrer Süchte fürchten, stehen sie mit den ersteren auf vertrautem Fuß. Die Bastuzzis hatten nämlich vier Kühe (und einen Jungstier), mit denen sie in Frieden und Eintracht lebten; die Kühe fraßen das Gras, und sie die Zichorie; außerdem tranken sie mit den Kälbern die Naturvollmilch. Eine Kuh macht keinen Unterschied zwischen einem Kalb und einem Idioten. Beim Eiersuchen wird der Idiot listig, und seine List überflügelt die List des Huhns im Eierverstecken. Manchmal aber werden einige Eier nicht gefunden und dadurch lebt die Rasse der Hühner immerfort weiter. Die Hühner, die einem Idioten gehören, sterben eines natürlichen Todes, das heißt an Altersschwäche; was bei der übrigen Zivilbevölkerung nicht zu beobachten ist, wo die Hühner stets umgebracht und gebraten werden. Die Familie Bastuzzi pflegte nie ein Huhn zu braten, denn sie kannte das Feuer nicht. Wenn das Huhn sein Ende nahen fühlt, entfernt es sich von den anderen, geht bis an die Grenze des Grundstücks der Bastuzzis,

versteckt sich in einem Graben oder in einem dornigen Busch und bleibt ganz still. Auch die Kühe gehen zum Sterben an die Grenze des Grundstücks an einen spärlich bewachsenen Ort, wo niemand vorbeikommt und die Erde locker ist.

Wenn ein Tier das Grundstück der Familie Bastuzzi verläßt, werfen ihm die benachbarten Bauern entweder Steine nach oder laufen mit einem Stock hinter ihm her, so daß es bald die Grenzen kennenlernt, die im Grundbuch eingetragen sind. Auch die Bastuzzis selbst haben das Gefühl für ihren Grundbesitz auf diese Weise erworben und wagen es nicht, ihn zu verlassen. Häufig geht Sereno Bastuzzi die Grenzen ab, mit einem Gefolge von Hühnern und Kühen sowie unter den giftigen Blicken der Anlieger, die eine rationelle und intensive Landwirtschaft betreiben und sich abrak-kern, um den Boden zu verbessern. Die Bastuzzis dagegen rackern sich nie ab und es scheint sie auch nie zu bekümmern, wie die Jahreszeit vom landwirtschaftlichen Standpunkt aus verläuft.

Im Sommer werden die Idioten dicker; im Winter halten sie ihren Winterschlaf oder etwas ähnliches. Im Sommer erwachen die Bastuzzis mit der Sonne, steigen auf die Bäume und essen dort das Obst; wildes Obst. Unterdessen weiden unter den Bäumen Hühner, Truthähne, Enten und Kühe. Sie halten sich nicht an die üblichen Mittagessens- und Abendessenszeiten. Sie trinken mit großem Ergötzen Wasser, Sereno Bastuzzi scheint es mit ganzem Herzen zu genießen; er schließt die Augen halb und kaut es, als wäre es ein alkoholisches Getränk.  - (cav)

Idiot Landleben

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