- Niccolo
Machiavelli
Kränkung (2) Die aus Leichtfertigkeit
verursachten Kränkungen sind schmerzhaft, denn sie setzen eine Gleichgültigkeit
gegenüber dem Verletzten voraus. Und er konnte keine Gleichgültigkeit ertragen:
Das war eine Form der Erniedrigung, die ihn bleich
werden ließ, die er in seinem Leben schon zu oft erfahren hatte, die ihn in
sein Dasein als Paria zurückfallen ließ, als er sich in dem Laden an der Viale
Libia billige Kleider kaufen und sie obendrein noch für elegant halten mußte.
Aber die schmerzhaften Kränkungen sind auch die ergiebigsten und die fruchtbarsten,
das wußte er, denn sie gären in der Seele, sie erfordern ausgearbeitete und
komplexe Reaktionen, und keine plötzlichen, befreienden und enttäuschenden Taten.
Nein, er wußte sehr gut, daß sich die schmerzhaften Kränkungen in einer geheimen
Zone einnisteten, wo sie zusammengeduckt kauerten, wie verpuppte Larven, und
dann bildeten sie Verästelungen, Kolonien, Termitenhügel mit komplizierten Gängen,
die eine genaue und gewissenhafte Topographie voraussetzten. Eine Topographie,
die er mit Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit studiert hatte, und mit Geduld,
denn es bestand keine Hoffnung auf eine direkte Rache.
- Antonio Tabucchi. Kleine
Mißverständnisse ohne Bedeutung. München 1999 (zuerst 1985)
Kränkung (3) Es ist ein lächerlicher Traum zu notieren:
Man erzählte mir, Hermopan habe sich auf der Jagd durch einen Zufall mit einem
Waidmesser verletzt. Ich soll ihn besuchen. Ich komme an sein Krankenbett. Er
streckt mir seine schöne längliche Hand mit dem breiten Siegelring am Mittelfinger
entgegen. Ungenau unterrichtet, frage ich verlegen-höflich und schon beim Aussprechen
meine Worte als Taktlosigkeit empfindend: >Es ist doch hoffentlich kein edlerer
Teil verletzt?< „Ich hab' keine unedlen Teile", antwortet er und dreht
sich zur Wand. - Franz Hessel, Ermunterung zum Genuß. Berlin 1981
Kränkung (4) Auf einem Ball in Paris wurde de Barreaux einmal mehr als sonstwo geprügelt. Zu Füßen einer Dame sagte er ganz laut alles, was ihm gerade in den Sinn kam; von einem sehr großen Mädchen sagte er, sie sei die Königin Esther und er habe sie schon tausendmal auf Wandteppichen gesehen. In solch ausgelassener Stimmung zog er einem Diener, der Zitronenwasser reichte, die Perücke herunter. Jener Diener, der den Schönling spielte, fühlte sich so beleidigt und durch diese Schande in seiner Ehre gekränkt, daß er eine Viertelstunde später eine kleine Tür hinter dem Wandbehang öffnete, die sich genau hinter von Barreaux befand, und ihm fünf oder sechs derbe Hiebe mit einem Prügel versetzte, von denen einer ihn am Kopf verletzte, worauf jener flüchtete, ohne daß ihn jemand erwischen konnte, weil er die Tür hinter sich abschloß. Der Hieb war gefährlich, und man hätte ihm beinahe den Schädel aufbohren müssen.
Im folgenden Sommer war er in großer Gefahr, in der Touraine von Bauern totgeknüppek
zu werden.
- (tal)
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