Alois Brandstetter, Überwindung der Blitzangst.
München 1974 (dtv sr 27, zuerst 1971)
Kameradschaft (2) »Wir alle hier sind Kameraden«,
redet Bandura vor dem Grab, »alle sind wir Mitglieder einer großen Familie,
Geliebte, Bräutigame, was sage ich: Männer einer selben Frau, Kavaliere dieser
selben Dame, Brüder desselben Loches, wir alle haben von derselben Quelle getrunken,
haben aus derselben Flasche Rum gesoffen, wir haben an derselben Schulter geweint,
haben uns in dasselbe Waschbecken übergeben, haben hinter demselben grünen Baldachin...«
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Kameradschaft (3) Er sah, daß Juden einen Toten aus der Erde gegraben hatten und auf diesen einschlugen. »Was wollt ihr von ihm und warum schlagt ihr ihn?« fragte der Jüngling. »Er schuldet uns zwölf Piaster«, sprachen die Juden. »Ich gebe euch die zwölf Piaster, doch laßt von dem Toten ab«, sagte der Königssohn. Er gab ihnen das Geld, und sie ließen von der Leiche. Bald darauf erhob sich der Jüngling und wanderte weiter. Doch der Tote folgte ihm. »Wohin führt dein Weg?« fragte er den Jüngling. »Ich wandere in die Welt hinaus.« — »Nun, ich auch. Komm, wir wollen gemeinsam wandern und Kameraden werden.« — »Wohlan, es sei!« — »Folge mir!« sprach der Tote, »ich werde dich schon führen.« Er nahm den Jüngling mit und brachte ihn in ein Dorf. Hier lebte ein Mädchen. So mancher Mann hatte es schon genommen, aber ein jeder war schon in der Brautnacht gestorben. Der Tote sprach zum Jüngling: »Ich werde dich irgendwo verbergen und dir ein Weib nehmen. Allein wir werden trotzdem stets Kameraden bleiben.«
Der Tote aber nahm jenes Mädchen für den Jüngling. Aus ihrem Munde kam jedoch ein Drache. Der Tote aber sprach zu seinem Kameraden: »In der Nacht, wenn du dich mit dem Mädchen auf das Lager niederlegst, werde ich mich zu euch legen.« Er nahm also sein Schwert und trat am Abend zu den beiden ins Schlaf gemach. Der Jüngling aber meinte: »Das geht nicht; doch wenn du willst, so sei das Mädchen dein.« Aber der Tote entgegnete: »Sind wir nicht Kameraden? Du legst dich zu ihr und ich schlafe hier.«
Um Mitternacht sah der Tote, daß das Mädchen seinen Mund öffnete und der Drache herauskam. Sogleich aber zog er sein Schwert und schnitt die drei Drachenköpfe ab. Er verbarg sie in den Falten seines Gewandes, legte sich nieder und schlief ein. Am nächsten Morgen erhob sich das Mädchen und sah, daß ihr Geliebter noch lebend bei ihr lag.
Dem Vater des Mädchens aber wurde berichtet: »Der Mann deiner Tochter ist heute nacht am Leben geblieben.« — »So soll er mein Schwiegersohn werden!« sagte der Vater. Der Jüngling aber ging mit dem Mädchen zu ihrem Vater. »Komm«, sagte nun der Tote, »wir wollen das Vermögen des Mädchens untereinander teilen.« Da machten sie sich ans Teilen. »Ihr Vermögen haben wir nun geteilt«, meinte nun der Tote, »so laß uns nun auch dein Weib teilen!« Der Königssohn aber entgegnete: »Wie können wir sie teilen, wenn du sie haben willst, so nimm sie ganz.« Doch der Tote blieb dabei. »Ich will sie nicht ganz, wir wollen sie teilen.«
»Wie wollen wir sie denn teilen?« fragte der Königssohn. »Laß mich sie nur
teilen!« Da ergriff sie der Tote, band ihre Knie und sprach: »Halte du das eine
Bein fest, ich halte das andere.« Er hob nun das Schwert, um das Mädchen zu
treffen. In ihrem Schrecken öffnete sie den Mund und schrie auf. Da fiel der
Drache heraus. Der Tote sagte hierauf zu dem Kameraden: »Ich brauche weder eine
Frau noch Geld. Diese Drachenköpfe waren es, die die Freier zerfleischten. Nimm
das Mädchen, sie und ihr Geld sei dein. Du hast mir eine Wohltat erwiesen, ich
konnte sie dir jetzt vergelten.« — »Was für eine Wohltat habe ich dir erwiesen?«
— »Du hast mich aus den Händen der Juden befreit.« -
(zig)
Kameradschaft (4) Immer hat es einen Mann von zweifelhaftem Ruf und mit einer pittoresken Persönlichkeit gegeben, der mit dieser Dame in Verbindung stand. Ihre Beziehungen sind von dem übermütigsten Geist der Kameradschaft geprägt gewesen. Einmal ist es William gewesen, ehemaliger Seemann in Admiral Deweys Flotte bei Manila, dann Tom O'Rourck, der zu ihr gekommen ist, um Gelegenheitsarbeiten zu verrichten und mehr oder weniger umsorgt zu werden, wenn er betrunken oder krank war, ihre Penelope. William pflegte zur größten Erheiterung meiner Mutter und zu seinem polternden Leidwesen von einem Weinspalier zu fallen oder, von schlechtem Whisky fast betäubt, zur Hintertür zu torkeln. Dort tischte sie ihm gewöhnlich einen sehr heißen und sehr starken Kaffee auf, dann zwang sie ihn, den Küchenboden zu scheuern, und goß in seinen Eimer Seifenlauge eine halbe Flasche Ammoniak, das den Mann nach Luft schnappen ließ und ihm Wasser in die Augen trieb, so daß er beim Arbeiten wieder nüchtern wurde.
Immer ist sie unfähig gewesen, aus Vorteil oder Unglück zu lernen. Wenn ein
Mann sie hintergeht, bleibt dieser Mann ihr mit einer Heftigkeit in Erinnerung,
die ich sonst selten angetroffen habe, aber soweit dies einen Einfluß auf ihr
Urteil über den nächsten Mann oder die nächste Frau haben könnte, mochte sie
im Garten Eden leben. Und dort lebt sie in der Tat, in einem verarmten, geschändeten
Eden, aber einem, so unzerstörbar wie die Imagination selbst. Was immer in ihr
Blickfeld tritt, genügt sich selbst und ist auf solche Weise zu schätzen. -
(kore)
Kameradschaft (5) Als General von Schleicher
[1. Garderegiment zu Fuß, Generalstabsangehöriger, Chef des Ministeramtes, Reichswehrminister]
erschossen werden sollte, half ihm keiner [der so vielen in den Sattel geholfen,
der vieles gedeckt hatte]. Sein Kamerad von Bredow [r. Garderegiment zu Fuß,
Pour-le-mérite-Träger, Angehöriger des Generalstabes] wurde am gleichen Tage
erschossen. Freunde von ßredows und von Schleichers versuchten, den stellvertretenden
Oberbefehlshaber des Heeres oder den Chef des Generaistabs anzurufen und um
Hilfe zu bitten; die Befehlshaber waren nicht erreichbar: in Konfliktfällen,
in denen ein Befehlshaber nicht handeln kann oder darf [oder den Umständen nach
trotz tragischen Konfliktes nicht handeln wollen kann], andererseits, benachrichtigt,
ehrenhalber handeln müßte, durfte er nicht erreichbar sein. Im Falle des Generaloberst
von Fritsch handelte es sich um ein angebliches Sittlichkeitsdelikt. Der Chef
des Generalstabes Beck half von Fritsch wenigstens insoweit, als er eine Kompanie
Soldaten in die Nähe des angeblichen Tatorts stellte, an dem von Fritsch von
der Staatspolizei verhört wurde; wäre von Fritsch tätlich bedroht worden, hätte
die Kompanie geschossen. Veranlaßt war dies durch Generaloberst Beck, dem niemand
half, als er von Hitler fortgeschickt wurde. Entschlossen wichen die erfolgreichen
Panzergeneräle Gude-rian und Hoepner mit ihren auf verlorenen Posten in der
Kälte befindlichen Panzerwagen Ende Dezember 1941 aus. Vorher hatten sie um
entsprechende Befehle gebeten; der Generalstabschef Halder ließ sich durch seinen
Ordonnanzoffizier, als Hoepner dringend anrief, verleugnen, auch er fürchtete
Hitler. Gleich darauf erhielt der GFM von Kluge das Kommando über die Heeresgruppe
Mitte. Schon seit 3 Feldzügen ärgerte er sich über widerspenstige Panzerführer,
die ihm nicht ordnungsgemäß unterstanden oder doch nicht gehorchten. Jetzt teilte
Kluge Hoepner mit, daß der Führer ihn, Hoepner, unter Rang-, Ordens- und Pensionsverlust
entlassen habe. Er, Hoepner, solle sich totschießen. Hoepner tat es nicht. Der
unglückliche General Stumme, dessen Untergebener einen Untergebenen besaß, der
wichtige Generalstabspläne über russischem Gebiet verlor, wurde für seine Absetzung
dadurch entschädigt, daß GFM von Bock ihn zu seiner Rechten einen Abend lang
essen ließ; danach halfen ihm Freunde, daß er nach Afrika kam, wo er rasch fiel.
Als der Chef des Generalstabs selbst, Generaloberst Halder, gehen mußte, rührte
sich keine Hand für ihn, wenn auch alle höheren Offiziere untereinander über
dieses Thema sprachen. - (klu)
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