omherr  Er war ein dicker Bursche von dreiundvierzig Jahren, der schon fett und schwammig gewesen sein mußte, als er noch zur Schule ging. Er hatte eine helle Hautfarbe, deren Rosa leicht ins Rot umschlug, eine Stupsnase, ein Doppelkinn und einen kindlichen Mund.

»Nun, hat man dich endlich geschnappt?«

»Das hat man.«

Das erste Mal hatte Maigret ihn selbst festgenommen, und seither waren sie sich öfter begegnet und hatten einander ohne Groll gegrüßt.

»Da steckst du wieder dahinter!« pflegte dann der Kommissar zu sagen, wobei er auf einen Wohnungseinbruch anspielte.

Anstatt es abzustreiten, lächelte der Domherr bescheiden. Man konnte ihm nichts nachweisen. Dennoch waren seine Einbrüche gleichsam gekennzeichnet, obwohl er nie Fingerabdrücke hinterließ.

Er arbeitete allein und bereitete jedes Unternehmen mit unglaublicher Geduld vor. Er war die Ruhe in Person, ein Mann ohne Laster, ohne Leidenschaften, ohne Nerven.

Er saß die meiste Zeit in der Ecke einer Bar, eines Cafés oder eines Restaurants, tat, als sei er in die Lektüre einer Zeitung vertieft oder träume vor sich hin, aber bei seinem feinen Gehör entging ihm nichts von dem, was um ihn herum gesprochen wurde.

Er war auch ein eifriger Leser von Wochenzeitschriften, deren Gesellschaftsspalten er sorgfältig studierte, so daß er besser als jeder andere darüber informiert war, wo sich gewisse Prominente jeweils aufhielten.

Und eines Tages wurde dann die Kriminalpolizei von einer bekannten Persönlichkeit angerufen, manchmal von einem Schauspieler oder von einem Filmstar, der bei seiner Rückkehr aus Hollywood, London, Rom oder Cannes entdeckt hatte, daß in seiner Wohnung eingebrochen worden war.

Maigret brauchte gar nicht bis zum Ende zuzuhören, da, fragte er schon:

»Der Kühlschrank

»Geleert!«

Der Weinkeller auch. Man konnte außerdem sicher sein, daß das Bett zerwühlt war und daß sich jemand des Pyjamas, des Morgenrocks und der Pantoffeln des Hausherrn bedient hatte.

Das war die Handschrift des Domherrn, eine Angewohnheit, die er von Anfang an, bereits im Alter von zweiundzwanzig Jahren, angenommen hatte, vielleicht weil er damals wirklich Hunger gelitten und sich nach einem weichen Bett gesehnt hatte. Wenn für ihn feststand, daß eine Wohnung mehrere Wochen nicht benutzt wurde, daß kein Dienstpersonal zurückblieb und die Concierge nicht den Auftrag hatte, hinaufzugehen und zu lüften, drang er dort ein, ohne eine Brechstange zu benutzen, denn er kannte das Geheimnis jedes Schlosses.

War er einmal am Ziel, raffte er nicht in aller Eile Wertgegenstände, Schmuckstücke, Bilder und Nippsachen zusammen, sondern richtete sich für eine Weile häuslich ein, im allgemeinen so lange, bis die Vorräte verzehrt waren.

Nach seinem Verschwinden hatte man bis zu dreißig leere Konservendosen und natürlich auch eine ganze Reihe geköpfter Flaschen gefunden. Er las. Er schlief. Er benutzte das Badezimmer mit einer Art Wollust, ohne daß die anderen Mieter im Haus etwas ahnten.

Kehrte er dann nach Hause zurück, nahm er seine Gewohnheiten wieder auf und besuchte nur abends zum Belote-Spiel eine recht anrüchige Bar in der Avenue des Ternes, wo man ihn, da er allein arbeitete und nie von seinen Beutezügen sprach, respektvoll und mißtrauisch zugleich betrachtete. - Georges Simenon, Maigret und die widerspenstigen Zeugen. Zürich 1999 (detebe 20716, zuerst 1959)

Domherr (2)  Van  Harche amtierte als Domherr in der Kapelle des heiligen Blutes in Brügge, und nur wenige ahnten etwas von seiner satanistischen Einstellung. Der Benediktiner Don Besse behauptet, daß er in den Fußsohlen ein eintätowiertes Kreuz trug, um dieses religiöse Symbol ständig mit Füßen treten zu können. Nach den Aussagen Huysmans hatte er in Belgien einen dämonischen Zirkel junger Leute gebildet. Er stellte ihnen geheimnisvolle Experimente zum Studium der »unbekannten Kräfte der Natur« in Aussicht und fesselte sie durch üppige Festmahle und Frauen, die er durch Hypnose gefügig machte. Nach und nach verdarb er sie durch Aphrodisiaca, und wenn er sie, besudelt und gebunden durch homosexuelle und sonstige Ausschweifungen aller Art, für seine Zwecke reif befunden hatte, nahm er sie in seinen internen Satanistenbund auf und gestattete ihnen den Zutritt zu den Schwarzen Messen.  - (erot)

 

Priester

 

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