ickicht Mein
äußerer Körper hastete völlig empfindungslos durch die Nacht, während in mir
Sprache eingebettet war in die muffige, diffuse, aber doch zähe Pestluft einer
unergründlichen alten Angst, gefangene Wörter zappelten in ihren nebelhaften
Netzen, die, je mehr Fäden und Maschen in entsetzter Bewegung zerrissen wurden,
sich um so dichter und feiner spannen. Was taten meine Wörter inmitten dieses
Dickichts, fragte ich mich: vielleicht versuchten sie sich zu paaren und es
gelang ihnen nicht; geh weg, komm doch, bleib hier ... es waren Wörter, die
an dem Mißtrauen gegen den Ort, da sie gesprochen wurden, verdorben waren. —
Ich glaubte mich zu erinnern, daß ich das Ich jenes frühen pornografischen Textes
ebenfalls in eine Substanz gebettet hatte, die einem feuchten und modernden
Dickicht glich. Dabei war mir unklar, ob ich nicht meine aktuellen Gelüste diesem
früheren Text aufpfropfte - dennoch meinte ich in ihm beschrieben zu haben,
wie ich mich mit einer Freundin, die ich kaltschnäuzig nannte, deren
Kopf sich mir zeitweise ganz verbarg, auf ein weiches Lager legte, das aus einem
Gemisch von verschiedenstem Haar bestand, aus Haufen
von Frauenhaar ... Flechten, dicke Zöpfe, wüste halbverdorbene Knäuel, Ballen,
die vor der Eiseskälte eines schmutzigen Betonbodens schützten; Furcht und Abscheu
vor diesem Haar verbanden sich uns mit der Schamlosigkeit unserer Gier. -
(
hilb2
)
Dickicht
(2) Unversehens hatte sie sich in dem dichten Strauchwerk
verfangen, und da sie so sehnsüchtig nach oben geblickt hatte, war sie nun von
undurchdringlichem Dickicht umgeben; vielfach verwundene Dornenran-ken versperrten
ihr den Aufstieg nach jeder Seite. Dazu noch gab jetzt der Boden unter ihren
Füßen nach, er wurde immer weicher und feuchter und mit dem nächsten Schritt
sank sie bis zum Knie in eine schlammige Mergelkuhle. In wahrer Todesfurcht
griff sie in das verwachsene Weißdorngezweig, riß sich die Hände blutig, um
nur irgendetwas zu erfassen, das sie vorm Versinken in der weichen Grube bewahren
konnte. Unter furchtbaren Schmerzen klammerte sie sich an die Ranken und zog
sich langsam auf festeren Grund. Nun wagte sie nicht mehr, aufrecht zu gehen,
kroch vielmehr, schob sich, rutschte unter dem Gebüsch mühsam vorwärts und drückte
den Mantel wie einen Schild gegen das Gestrüpp, bis er ihr schließlich entwunden
und zerrissen wurde. Es war ihr nicht anders, als hätte das Dickicht sie ergriffen
wie ein vielarmiges wildes Tier. Sie hielt die zerfleischten Hände vors Gesicht.
- Botho Strauß, Der junge Mann. München 1984
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