ichterkorrespondenz Seien
Sie überzeugt davon, mein Herr, daß Mendel Ossipowitsch nicht jenes strenge
Gesicht hatte, das man auf Grund seiner asketischen Prosa zu ahnen meint; die
Briefe, die er mir schrieb, waren barock wie die Flauberts.
Und diese Briefe handelten von all dem, wovon auch seine Werke sprechen; und
auch darüber, wovon sie schweigen. Über schöpferische Freuden und schöpferische
Krisen; über Seelenzustände; über Städte; über Hämorrhoiden; über Landschaften;
über die Gründe für Selbstmord und die Gründe zu leben; über den Unterschied
zwischen Prosa und Poesie. In seinen Briefen vermischten sich Liebesseufzer,
erotische Anspielungen, literarische Theorien, Reisebeschreibungen, dichterische
Fragmente. Ich erinnere mich noch der Beschreibung einer Rose, einer Morgenröte;
Variationen über Wanzen; Erörterungen über die Möglichkeiten
des Lebens im Jenseits. Und ich erinnere mich der Beschreibung eines Baumes;
eines Vergleichs, als die Grillen unter dem Fenster seines Hotels auf der Krim
zirpten, wie wenn man Armbanduhren aufzieht; der Etymologie eines Namens, einer
Stadt; der Erläuterungen eines Angsttraumes. Das übrige, das übrige, dessen
ich mich entsinnen kann, waren Worte der Liebe: Ratschläge, wie ich mich an
Wintertagen anziehen, wie mein Haar kämmen sollte; Bitten, »heiße Liebeskoseworte«,
Eifersuchtsszenen — grundlose, muß man das sagen? - (
kis
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