ürgersteig
Gestern, den letzten Februar 1807, kamen auf der Chaussee nach Connewitz
auf dem Fußstege nach deutscher Unsitte drei Ysenburger Officiere auf mich
losgesprengt. Ich mußte wol an die Pappel treten, um nicht niedergetreten
zu werden, konnte aber meinen Unwillen nicht bergen, den ein Kopfschütteln
und ein sehr merkliches »Hm, hm« verrieth. »Was ist? Was ist?« kehrte sich
einer der Herren mit dem großen Pferde um. »Nichts Gutes, wie ich sehe,«
antwortete ich. »Was? was will der Kerl raisonniren?« und jagte, so gut
der Gaul laufen wollte, auf mich zu. »Ich raisonnire, daß es wider die
Polizei ist, daß Sie hier reiten.« »Was geht mich die Polizei an?« »Leider
nichts, wie ich merke.« »Zetersakermenter, will Er's Maul halten!« »Das
hätte ich wol anfangs thun sollen, aber nun nicht. «Der junge Mann ward
brennend, glühend, fluchte, lärmte, wüthete, schäumte, zog den Säbel, sprach
von Kopfspalten und Zusammenhaien, ritt auf mich ein und riß den Säbel
immer eine Spanne weiter aus der Scheide. Ich machte ihm begreiflich, daß
ich sehr wohl wüßte, was Recht und Ordnung wäre, daß ich, ehe er geboren,
unter Kugeln gestanden, daß ich hier keine Waffen habe, und daß weder für
mich noch für ihn Ehre zu erwerben sei, und forderte seinen Namen. So viel
Besonnenheit hatte er doch noch, ihn nicht sagen zu wollen; aber seine
Wuth und der Schaum am Munde nahm zu. Ich will ihm die traurige Ehre anthun,
um ihn selbst so viel als möglich zu entschuldigen, zu glauben, daß es
das Product des Champagners war. Ich glaube er hätte mir wirklich heroisch
den Hirnschädel gespalten — ich hatte nichts als einen kleinen Knotenstock
-, wenn nicht seine etwas vernünftigem Kameraden ihn zurückermahnt hätten.
Was war zu thun? Er war wahrscheinlich einer der Herren, die die Machtvollkommenheit
der deutschen Privilegien bei Jena, Halle und Prenzlow oder in Magdeburg
der Nation documentirt hatten. Seine französische Cocarde, die vor einigen
Monaten preußisch gewesen war, bezeichnete auch. Ich war Willens, mit seinem
Chef zu sprechen. Aber ein Rathsherr, einer meiner Freunde, hatte mir vor
einigen Tagen einige Worte von dessen Anforderungen gesagt, die weder auf
Humanität noch Billigkeit schließen ließen; und nur den Tag vorher sollte
er mit Bajonnetten in die Justiz gegriffen haben, um einen bankerotten
Kaufmann vom Rathhause mit Gewalt zu nehmen, der sich angeblich unter sein
Corps hatte anwerben lassen. Ich wollte zum General René gehen, um ihm
mit Wärme den Unfug vorzustellen, den die Leute und Herren in und um die
Stadt trieben, wo alle junge Pappelbäume in den Pflanzungen von den Säbelhieben
der neuen Helden fallen. Es fiel mir aber bei, daß
René Palm an Ort und Stelle befördert haben soll. Ich habe wol ebenso viel
Todesverdienst als Palm. Es gehört nur eine Kleinigkeit
dazu, um ein paar Hähne zu spannen, und mein Tod würde wahrscheinlich weder
die ehrlichen Franzosen erbauen noch die Deutschen
klüger machen. Ich lasse es also lieber liegen, da es zu vermeiden ist,
mit dem ziemlich festen Entschlusse, wo es nicht Pflicht ist, zu stehen,
künftig hübsch stille Jedermann aus dem Wege zu gehen. Denn es ist ja sehr
leicht möglich, daß er ein Narr ist: wenn er auf
dem Fußstege reitet, ist er's gewiß, oder noch etwas mehr. Und überdies
läuft man in dergleichen Händeln Gefahr, selbst einer zu werden. -
(
seume
)
Bürgersteig (2) Mit mörderischer Sicherheit langte
sie in meinen Schlitz. Diesmal machten wir uns nicht die Mühe, erst ein Stück
unbebauten Bodens zu suchen, sondern ließen uns einfach auf den Gehsteig unter
einem großen Baum fallen. Der Gehsteig war_nicht gerade bequem -ich mußte meinen
Schwengel herausziehen und ein bißchen weiterrük-ken, wo ein Fleckchen weicher
Erde war. Da sich unweit von ihrem Ellbogen eine kleine Pfütze befand, war ich
dafür, ihn noch einmal herauszunehmen und noch einige Zentimeter weiterzurücken,
aber als ich ihn herauszuziehen versuchte, geriet sie außer sich. «Nimm ihn
nie wieder heraus», flehte sie, «es macht mich verrückt. Fick mich, fick mich!»
Eine lange Zeit hielt ich mich zurück. Wie zuvor kam sie wieder und immer wieder,
quiekend und gründend wie ein gestochenes Schwein. Ihr Mund schien größer und
größer zu werden, immer breiter, war ganz Wollust. Ihre Augen drehten sich,
wie bei einem epileptischen Anfall. Ich zog ihn einen Augenblick heraus, um
ihn abzukühlen. Sie tauchte die Hand in die Pfütze neben sich und spritzte ein
paar Tropfen Wasser über ihn. Das tat wunderbar wohl. Im nächsten Augenblick
war sie auf Händen und Knien und bat mich, es ihr ärschlings zu besorgen. Ich
kroch auf allen vieren hinter sie. Sie griff mit der Hand unter sich, grapschte
meinen Schwanz und ließ ihn hineingleiten. Er drang tief bei ihr em. Sie ließ
ein kleines, aus Schmerz und Lust gemischtes Stöhnen hören. «Er ist größer geworden»,
stammelte sie. - Henry Miller, Sexus. Reinbek bei Hamburg 1980 (zuerst 1947)