tehen
Der Stolz des Stehenden ist, daß
er frei ist und sich an nichts lehnt. Ob im Stehen eine Erinnerung an das
erstemal hineinfließt, da man als Kind allein stand; ob der Gedanke einer
Überlegenheit über die Tiere mitspielt, von denen kaum eines auf zwei Beinen
frei und natürlich steht: es ist immer so, daß der Stehende sich selbständig
fühlt. Wer sich erhoben hat, steht am Ende einer gewissen Anstrengung und
ist so groß, wie er überhaupt werden kann. Wer aber lange schon steht,
drückt eine gewisse Widerstandskraft aus; sei es, daß er sich von seinem
Platze nicht verdrängen läßt wie ein Baum, sei es,
daß er ganz gesehen werden kann, ohne sich zu fürchten oder zu verbergen.
Je ruhiger er steht, je weniger er sich wendet und in verschiedene Richtungen
auslugt, um so sicherer wirkt er. Nicht einmal einen Angriff im Rücken
fürchtet er, wo er doch keine Augen hat. - (
cane
)
Stehen (2) Vielleicht glaubt jemand, es sei
schwer, dort zu stehen, wo man viele Jahre gewohnt hat, und wo nun nichts mehr
ist. Und man empfände dann, wie die Last der Dinge, die man einst sein eigen
nannte, über einem zusammenbräche. Und daß man dann seufzte
oder weinte. Aber es ist nicht schwer, es ist nur unbegreiflich.
Es ist so unbegreiflich, daß man es gar nicht zu wiegen vermag. Und wie entsetzlich
schwer es wiegt, so schwer, daß man nicht zu atmen wagt und sich nur ganz vorsichtig
durch die Welt bewegt, das läßt sich kaum sagen. - Hans Erich Nossack, Der Untergang.
Frankfurt am Main 1987 (zuerst 1948)
Stehen (3)

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Buster Keaton