pfelstrudel
da kommt alexander, der schauspieler, und überredet mich, er hat
den sechsten sinn, wir kommen hin, es gibt rotwein und apfelstrudel. ich nehme
eine gabel und esse den apfelstrudel. dann schicke ich alexander, man kennt
ihn, und er bringt mir noch einen apfelstrudel. ich nehme den teller mit dem
apfelstrudel und setze mich ein wenig abseits, den teller auf den knieen führe
ich dem apfelstrudel die gabel ein. sachte teile ich den strudel in zwei annähernd
gleiche teile, die äpfel sind sehr hell, der strudel dürfte ganz frisch sein,
ich lege die gabel seitlich auf den teller. dann nehme ich das rechte stück
mit daumen und mittelfinger meiner rechten hand und hebe es vorsichtig hoch,
ich beuge meinen kopf und lecke langsam, sehr langsam
den zucker von der kruste. natürlich wird man gestört, ekelhaut viele menschen!
ich bohre meine zähne behutsam in das apfelfleisch, tatsächlich, ganz frisches,
weiches, süssliches apfelfleisch, ich lasse etwas füllung in meine mundhöhle
gleiten, mein speichel und das apfelfleisch sind ein weicher süsslicher brei.
plötzlich schlucke ich apfelfleisch, es gleitet, lauwarm und weich durch meine
speiseröhre, immer mehr speichel sammelt sich in meiner mundhöhle. ich steche
jetzt ganz fest in den Strudel, die kruste bricht, die zinken versinken rasch
im weichen apfelfleisch, langsam drehe ich die gabel in der füllung. breiig
gibt alles nach, ich steche noch einmal in den strudel, fetzen
apfelfleisch hängen an den zinken, mein kopf schnellt vor und mit einem schlag
meiner zunge reisse ich die fetzen apfelfleisch von
den zinken der gabel. zwischen meinen zahnen knirscht strudelkruste, hastig
schlucke ich strudel, ich steche in den strudel, schlucke, steche in den strudel,
meine zunge bohrt sich in teig, ich schlage meine
zähne in die ränder des aufgerissenen apfelstrudels.
zwischen meinen zähnen kracht harte, feste apfelstrudelrinde, meine zunge wühlt
im teig des apfelstrudels, meine lippen sind mit staubzucker bedeckt, ich schlucke
teig, teig. jetzt beginne ich zu kauen, langsam, sehr langsam kaue ich. mehr
und mehr teig sammelt sich in meiner mundhöhle. ich schlucke und schlucke
und kaue sehr, sehr langsam, jetzt bin ich satt, reste von apfelstrudel kleben
an meinen lippen. ich lecke die krumen von meinen lippen und kaue. speichel
sammelt sich in meiner mundhöhle, dann schlucke ich alles, alexander kommt mit
einem leeren teller. «es gibt keinen apfelstrudel mehr», sagte marcel oppenheimer
- Konrad Bayer, der sechste sinn. Roman. Reinbek bei Hamburg 1969
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