In dieser nach Jahrmillionen zählenden - Zeitbegriffe und
Ziffern sind ein mehr kindhaftes Unterfangen - Phase der Spaltung
haben sich die großen Fangzähne, mit denen das urzeitliche Menschenwesen
seine Beute sich reißen mußte, zu dem heutigen Gebiß zurückgebildet.
Es ist der veränderte Urlaut entstanden, die Sprache,
die einem Zweck, nämlich dem, zu beißen, zu reißen und zu täuschen,
dienstbar war als Schutz und zugleich abschreckend wie das Bellen.
Daraus ist das entstanden, was man heute die "Verständigungsmittel"
zwischen den Menschen nennt. Wem dies ungewöhnlich und übertrieben
erscheinen mag, dem ist nur zu raten, in einer assoziativen Denkfolge
analytisch die Grundelemente seiner Sprache zu entblättern. Er
wird allerdings zunächst auf das Hindernis stoßen, daß inzwischen
eine Symbiose zwischen Intellekt und
Sprache entstanden ist, die erst wieder aufgelöst werden müßte,
um der Reflexwirkung des Instinkts zum Durchbruch ins Bewußtsein
zu helfen. - Aus: Franz Jung, Erinnerung an einen Verschollenen.
Ernst Fuhrmanns Lehre von den
Zusammenhängen. In: F. J., Schriften, Bd. 1, Salzhausen / Frankfurt
am Main 1981
Beißen (2) 1. Jean-Baptiste Troppmann, der 1869 eine achtköpfige Familie tötete, entwarf nach der Tat für sich eine Zeichnung, die die Lage der Leichen am Tatort veranschaulichte. Vom Gefängnis aus bat Troppmann seinen Bruder um Blausäure und Äther, damit er hiermit seinen Wärter töten könne. Eugen Sue's »Der ewige Jude« war sein Lieblingsbuch. Er schrieb Memoires secrets, Paris 1870. Bevor das Beil fiel, gelang es Troppmann, den Henker zu beißen.
2. Die Marquise de Brinvilliers, berühmte Giftmischerin in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Sie wurde 1676 auf der Place de Greve hingerichtet. Eine vorzügliche Darstellung des Falles gibt E. T. A. Hoffmann in der Novelle »Das Fräulein von Scuderi«. [sic!]
3. Joseph Vacher (1869—1897), genannt der Aufschlitzer, tötete 14 Menschen im Südosten Frankreichs. Die Opfer waren meistens junge Landarbeiter beiderlei Geschlechts; alle wurden verstümmelt. Nach seiner letzten Tat eilte Vacher in ein Wirtshaus, wo er auf der Ziehharmonika heitere Weisen spielte, bis die Polizei eintraf und ihn identifizieren konnte.
4. Albert Soleilland tötete 1907 ein kleines Pariser Mädchen. Er wurde zum Tode verurteilt, dann begnadigt. Diese Begnadigung wurde von der öffentlichen Meinung lebhaft angegriffen.
5. Am 17. Mai 1924 fand man in der Leine einen Schädel ohne
Haare, ohne Fleisch und ohne Augen, 3 Tage später wieder einen
und am 13. Juni einen dritten und einen vierten... Wie Fritz
Haarmann junge Männer, die er an sich
lockte, umgebracht hat, ist nicht völlig festgestellt worden.
Er behauptete, daß er ihnen in der Erregung
die Kehle durchgebissen habe. - Kommentar zu: André
Breton / Paul Éluard, Die unbefleckte Empfängnis. Frankfurt am
Main 1988 (zuerst 1930)
Beißen (3) Das Auto hatte eine Sirene auf dem Dach.
Zwei Männer mit Polizeiausweis stiegen aus. Die jungen Männer versuchten nicht,
zu fliehen oder Widerstand zu leisten. Sie wußten, wie sie sich verhalten mußten:
Handschellen anlegen lassen und ins Auto einsteigen. Das Auto hielt dann plötzlich,
und die drei sollten aussteigen. Sie begriffen wohl nicht gleich, aber als sie
die Pistolen sahen, war alles klar. Eine Falle. Die
vermeintlichen Polizisten waren Spanier. Die Aufrührer. Zwei mußten sich hinknien
und wurden mit einem Kopfschuß sofort getötet, der dritte, so zeigten die Spuren,
hatte mit hinter dem Rücken gefesselten Händen zu fliehen versucht, so daß er
nur durch Schulter- und Kopfbewegungen das Gleichgewicht halten konnte. Er stürzte.
Kam wieder hoch. Fiel wieder hin. Dann erwischten sie ihn und hielten ihm die
Pistole in den Mund. Die Leiche hatte zerbrochene Zähne, denn der junge Mann
hatte in den Pistolenlauf gebissen, instinktiv, als könnte er ihn zermalmen.
- Roberto Saviano,
Gomorrha. Reise in das Reich der Camorra. München 2006
Beißen (3)
- Edvard Munch
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