Wohnwagen

 

- Gregory Crewdson

Wohnwagen (2)  Vor der breiten dunkeln Frau lagen auf einem langen Tisch viele Pakete, die bunte Seidenschleifen schmückten; dazu Kuchen und Torten, üppig verzierte Silberdosen, Flaschen und Gläser, manche mit Rotweinresten. Drei Kerzenleuchter mit gedrechselten Füßen, als wären sie von einem Altar weggenommen worden, standen dazwischen.

Eugen wurde von dem hochgeschossenen Buben in Pullover und hellblauer Hose gegrüßt: »Guten Tag, mein Herr.« Es hörte sich devot und verachtungsvoll an. Eine junge Dame in weitem Rock hielt ihm eine lange und schmale Hand hin, und Eugen sagte, er habe kein Geld dabei. Sie deutete auf seine Gesäßtasche, als ein Mann in einem eleganten Anzug mit Krawatte und Hut hinter einem Wohnwagen hervorkam und ihm zunickte, zu ihm sagte: »Gehen Sie hinein« und eine neue gelbe Ledertasche schwang. Das Mädchen nahm Eugen bei der Hand, und so stieg er mit ihr in den Wohnwagen hinein, wo alle Sitzmöbel mit dickem Plüsch bezogen waren, der ein Tigerfell vortäuschte. Die Einrichtung blitzte und gleißte, durch Spitzen vorhänge drang helles Licht, zwei junge Frauen saßen auf einer gepolsterten Bank, und eine davon sagte, er solle ihr Geld geben, was wie eine Forderung klang. Da sagte er wiederum, er habe nichts. Das Gesicht der Frau wurde finster. Sie stieß einen Satz hervor, der wie eine Verwünschung klang, nun nicht mehr in mühsam gesuchten deutschen Wörtern, sondern fremdländisch und beilhiebschwarz.   - Hermann Lenz, Seltsamer Abschied. Frankfurt am Main 1990

Wohnwagen (3)  Eigentlich nur als Unterkunft für die Arbeiter während ihrer Zeit-im-Wald diente der alte Wohnwagen, am Rand zu einer Lichtung abgestellt. Grau gestrichene & senkrecht genagelte Holzlatten zeigten einen großen, zweiachsigen Wagen (keine dieser wackeligen Hühnerhütten auf 2 Rädern). An einer Frontseite die Tür, 1 dünnes Metallgestell als Treppe führte hinauf; beidseitig zur Tür jeweils ein Fenster mit verschließbaren Läden. Aus dem mit Teerpappe bespannten Dach, einer abgestumpften Mansarde gleich, stach das Ofenrohr heraus. Mitten unter den Wagenboden montiert ein verschließbarer Kasten für Werkzeuge & Ersatzteile, ringsumher aufgeschichtet Holzscheite für den Ofen; neben dem Treppenpodest eine große Regentonne, abgedeckt von einer Waschschüssel aus Zinkblech. (Das Klo der Wald, & Waschwasser aus dem Zuber, im Winter aus Eis und Schnee.) An der rückwärtigen Wagenfront ein weiteres Fenster, die andere Längs- sowie die vordere Stirnseite jeweils fensterlos. An jeder der 4 Ecken durch 1 Metallstütze auf den Waldboden gestellt, die Deichselspitze versunken in Erde&gras, mochte dieser geräumige Wagen schon Langezeit hier—an diesem Ort abgestellt sein.- Drinnen, im Zwielicht, nebenlander graublaue Metallschränke (die Arbeiter zogen sich hier im Wald um), an der hinteren Stirnwand 3 Sitzbänke übereck, davor ein Tisch (mit Wachstuch bespannt), inmitten der fensterlosen Rückfront der rostfleckige Kanonenofen, Kohle&holzvorrat, Ascheimer; auf dem Tisch 1 Petroleumlampe. Als der Neue nach dem Itreten sogleich die Fenster aufriß, den sauren schweißfeuchten Menschgeruch hinauszulassen, fiel das den Kollegen auf; sie sagten nichts. Waldluft zog herein, während man vor den Blechschränken zur Arbeit sich umzog. — Vom 1 .-Tag-an fühlte der Neue in diesem Wohnwagen sich heimisch, u spürte eine seltsame Vertrautheit, als sei er vor Langerzeit schon ein Mal hier u geborgen gewesen.  - (jir)
 
 

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