Wohnwagen (2) Vor der breiten dunkeln Frau lagen auf einem langen Tisch viele Pakete, die bunte Seidenschleifen schmückten; dazu Kuchen und Torten, üppig verzierte Silberdosen, Flaschen und Gläser, manche mit Rotweinresten. Drei Kerzenleuchter mit gedrechselten Füßen, als wären sie von einem Altar weggenommen worden, standen dazwischen.
Eugen wurde von dem hochgeschossenen Buben in Pullover und hellblauer Hose
gegrüßt: »Guten Tag, mein Herr.« Es hörte sich devot und verachtungsvoll an.
Eine junge Dame in weitem Rock hielt ihm eine lange und schmale Hand hin, und
Eugen sagte, er habe kein Geld dabei. Sie deutete auf seine Gesäßtasche, als
ein Mann in einem eleganten Anzug mit Krawatte und Hut hinter einem Wohnwagen
hervorkam und ihm zunickte, zu ihm sagte: »Gehen Sie hinein« und eine neue gelbe
Ledertasche schwang. Das Mädchen nahm Eugen bei der Hand, und so stieg er mit
ihr in den Wohnwagen hinein, wo alle Sitzmöbel mit dickem Plüsch bezogen waren,
der ein Tigerfell vortäuschte. Die Einrichtung blitzte und gleißte, durch Spitzen
vorhänge drang helles Licht, zwei junge Frauen saßen auf einer gepolsterten
Bank, und eine davon sagte, er solle ihr Geld geben, was wie eine Forderung
klang. Da sagte er wiederum, er habe nichts. Das Gesicht der Frau wurde finster.
Sie stieß einen Satz hervor, der wie eine Verwünschung
klang, nun nicht mehr in mühsam gesuchten deutschen Wörtern, sondern fremdländisch
und beilhiebschwarz. - Hermann Lenz, Seltsamer Abschied. Frankfurt
am Main 1990
Wohnwagen (3) Eigentlich nur als Unterkunft
für die Arbeiter während ihrer Zeit-im-Wald diente der alte Wohnwagen, am Rand
zu einer Lichtung abgestellt. Grau gestrichene & senkrecht genagelte Holzlatten
zeigten einen großen, zweiachsigen Wagen (keine dieser wackeligen Hühnerhütten
auf 2 Rädern). An einer Frontseite die Tür, 1 dünnes Metallgestell als Treppe
führte hinauf; beidseitig zur Tür jeweils ein Fenster mit verschließbaren Läden.
Aus dem mit Teerpappe bespannten Dach, einer abgestumpften Mansarde gleich,
stach das Ofenrohr heraus. Mitten unter den Wagenboden montiert ein verschließbarer
Kasten für Werkzeuge & Ersatzteile, ringsumher aufgeschichtet Holzscheite
für den Ofen; neben dem Treppenpodest eine große Regentonne, abgedeckt von einer
Waschschüssel aus Zinkblech. (Das Klo der Wald, & Waschwasser aus dem Zuber,
im Winter aus Eis und Schnee.) An der rückwärtigen Wagenfront ein weiteres Fenster,
die andere Längs- sowie die vordere Stirnseite jeweils fensterlos. An jeder
der 4 Ecken durch 1 Metallstütze auf den Waldboden gestellt, die Deichselspitze
versunken in Erde&gras, mochte dieser geräumige Wagen schon Langezeit hier—an
diesem Ort abgestellt sein.- Drinnen, im Zwielicht, nebenlander graublaue Metallschränke
(die Arbeiter zogen sich hier im Wald um), an der hinteren Stirnwand 3 Sitzbänke
übereck, davor ein Tisch (mit Wachstuch bespannt), inmitten der fensterlosen
Rückfront der rostfleckige Kanonenofen, Kohle&holzvorrat, Ascheimer; auf
dem Tisch 1 Petroleumlampe. Als der Neue nach dem Itreten sogleich die Fenster
aufriß, den sauren schweißfeuchten Menschgeruch hinauszulassen, fiel das den
Kollegen auf; sie sagten nichts. Waldluft zog herein, während man vor den Blechschränken
zur Arbeit sich umzog. — Vom 1 .-Tag-an fühlte der Neue in diesem Wohnwagen
sich heimisch, u spürte eine seltsame Vertrautheit, als sei er vor Langerzeit
schon ein Mal hier u geborgen gewesen. - (jir)
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