«Wonach?! ... ... Ach so!»
«Ja. Er sagt, wenn er mich nicht schlagen würde, so müßte er glauben, ich sei ein Mann, und dann dürfte er mir gegenüber auch nicht so weich und zärtlich sein. So aber sei ich seine Sache, und da geniere er sich nicht.»
«Und Beineberg?»
«Oh, Beineberg ist häßlich. Findest du nicht auch, daß er aus dem Munde riecht?»
«Schweig! Was ich finde, geht dich gar nichts an! Erzähle, was Beineberg mit dir tut!»
«Nun, auch so wie Reiting, nur... Aber du darfst mich nicht wieder gleich schimpfen...»
«Vorwärts.»
«Nur... auf einem anderen Umwege. Er hält mir erst lange Reden, über meine Seele. Ich habe sie beschmutzt, aber gewissermaßen nur den ersten Vorhof von ihr. Im Verhältnis zu dem Innersten sei dies etwas Nichtiges und Äußerliches. Nur müsse man es abtöten; so seien schon viele aus Sündern zu Heiligen geworden. Die Sünde sei daher in höherer Hinsicht gar nicht so schlecht; nur müsse man sie ganz auf die Spitze treiben, damit sie abbreche. Er läßt mich sitzen und ein geschliffenes Glas anstarren ...»
«Er hypnotisiert dich?»
«Nein, er sagt, er müsse nur alle Dinge, die an der Oberfläche meiner Seele umherschwimmen, einschläfern und kraftlos machen. Dann erst könne er mit meiner Seele selbst verkehren.»
«Und wie verkehrt er denn mit ihr?» ;
«Das ist ein Experiment, das ihm noch nie gelungen ist. Er sitzt, und ich muß mich auf die Erde legen, so daß er die Füße auf meinen Leib stellen kann. Ich muß von dem Glas recht träge und schläfrig geworden sein. Dann auf einmal befiehlt er mir zu bellen. Er beschreibt es mir ausführlich: — leise, mehr winselnd — so wie ein Hund aus dem Schlafe heraus bellt.»
«Wozu das?»
«Man weiß nicht, wozu es gut ist. Er läßt mich auch grunzen wie ein Schwein und wiederholt mir in einem fort, ich habe etwas von diesem Tiere in mir. Aber nicht, als ob er mich schimpfen wollte; er wiederholt es mir ganz leise und freundlich, um es — wie er sagt — fest in meine Nerven einzudrücken. Denn er behauptet, daß möglicherweise eine meiner früheren Existenzen so gewesen sei und daß man sie hervorlocken müsse, um sie unschädlich zu machen.»
«Und du glaubst ihm das alles?»
«Gott bewahre; ich meine, er selbst glaubt nicht daran. Und dann ist er doch
auch zum Schlusse immer ganz anders. Wie soll ich auch solche Dinge glauben?!
Wer glaubt denn heute an eine Seele?!»
- Robert Musil,
Die Verwirrungen des Zöglings Törleß. Reinbek bei Hamburg 1965 (zuerst 1906)
- (
art
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