nverweslichkeit
Ich habe vielmals von glaubwürdigen Augenzeugen gehört, daß man Menschenleichen
gefunden hat, die nicht allein lange Zeit unverwest, mit beweglichen Gliedern
und rot geblieben waren, sondern überdies auch Mund, Zunge und Augen bewegten,
die Leichentücher, in die sie gehüllt waren, verschlangen und sogar Teile ihres
Körpers frassen. Bisweilen ist auch die Kunde davon
gekommen, daß eine derartige Leiche aus dem Grabe aufstand, über Kreuzwege und
Häuser wandelte, sich bald dem, bald jenem zeigte, auch manche anfiel, um sie
zu erwürgen. Wenn es eine Mannesleiche ist, dann heisst dieses Wesen
Upier, wenn es eine Frauenleiche ist, Upierzyca, d. h. gleichsam ein gefiederter,
mit Federn versehener, leichter zur Bewegung geschickter
Körper. - Rzaczynskis Naturgeschichte des Königreichs
Polen, 1721, nach (
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Unverweslichkeit
(2) Als er in seinem 52. Jahre eine schwere Krankheit
bekam und der Arzt ihm den nahen Tod ankündigte, dankte er diesem mit den Worten,
er habe nichts Angenehmeres hören können. Mit lächelnder Miene gab er seinen
Geist auf. Sein Körper blieb auch nach dem Tode noch weich und biegsam. Acht
Monate später fand man den Leichnam immer noch unverwest, obgleich man ihn mit
Kalk überschüttet hatte. - Albert Christian Sellner, Immerwährender
Heiligenkalender. Frankfurt am Main 1993
Unverweslichkeit (3) »Jener grausame Olav, der Heilige, der bei Nidaros niedergemacht wurde, eingescharrt, aus dessen Blut Natur eine Quelle gebar (angeblich), die im Korumgang des Oktogons von Trondjhems Domkirche in Stein gefaßt, der eingescharrt, ausgescharrt, eingesargt, ausgesargt, blieb, o Wunder, unverweslich. Obgleich er viele Wochen im Wasser der heiligen Quelle gelegen.«
»Du lästerst Gott«, sagte Frau Inge.
»Blieb unverweslich«, sagte Harald, »bis eine Priesterschaft kam, der der unverwesliche Heilige unbequem war. Die neuen Prediger der Reformation. Ein paar Jahrzehnte noch duldeten sie ihn in einer Rumpelkammer. Dann war er ganz und gar unerträglich mit seiner nicht-verrotteten Existenz. Er wurde eingescharrt, endgültig, an einem unbekannten Platz, um des Volkes Aberglauben zu erdrosseln. Übrigens hat der deutsche Kaiser Otto den Kaiser Karl Sachsen-töter in seiner Gruft zu Aachen aufgesucht und ihn sitzend, unver-west wie diesen Olav, gefunden. Nur die Nase war etwas angefressen. Sie wurde aus Gold ergänzt. Wie bei reichen Leuten die hohlen Zähne.«
»Du gehst zu weit, Harald«, sagte Frau Inge. - Hans Henny Jahnn, Perrudja. Frankfurt am Main
1966 (zuerst 1929)
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