eberwachung   Zu dem für den folgenden Nachmittag verabredeten Rendez-vous erschien Léjal nicht, sondern fuhr, nachdem er sich überzeugt hatte, daß dieses sein hinterlistiges Verhalten sofort die neuerliche Überwachung nach sich gezogen hatte, eine sehr bauchige Ledermappe unterm Arm, fröhlich nach Aussig. Denn er durfte nun sicher sein, daß sein Plan gelingen würde. Und er gelang prächtig.

Léjal saß kaum fünf Minuten, als ein Herr im Pelzmantel, aber mit den Allüren eines Fleischermeisters und dem Kopf eines Pavian, sich ihm gegenübersetzte und seine Ledermappe nicht aus den Augen ließ. Nach weiteren fünf Minuten setzte sich eine kommis-ähnliche Gestalt zeitungslesend neben Léjal und kurz darauf neben den Herrn im Pelzmantel ein Kutschergesicht mit einer langen Pelerine, die auf sehr merkwürdige Weise geschlossen blieb, so daß Lejal nicht zweifelte, daß Handschellen darunter für ihn bereit gehalten wurden. Léjal schloß selig die Augen und mimte den Schlafenden. Und während er unter dreifacher Bewachung ein Pyjama, eine große Schachtel Konfekt und einige Toilettegegenstände nach Aussig entführte, nicht aber Einbrecherwerkzeuge, Patronen und Gift, saß Polly, umgeben von mehreren Kollegen, im Café Central und wartete mit zuckenden Fingern auf den telefonischen Anruf, der ihr die Verhaftung Léjals auf frischer Tat melden sollte. Aber es wurde Abend, ohne daß das Telefon für sie erklungen wäre. Und es wurde zehn Uhr. Endlich gegen ein Uhr nachts wurde sie an den Apparat gerufen, wo ihr eine vor Ärger schleimige Stimme kurz mitteilte, Lejal verbringe die Nacht in einer Villa der Baumgartenstraße mit einer Gouvernante und auch sonst habe sich nichts Bemerkenswertes entdecken lassen; allenfalls, daß er einen größeren Betrag per Postanweisung an sie abgeschickt habe.

Wieder am Tisch, betrachtete Polly verstört ihre Handflächen, blickte endlich nassen Auges auf und flüsterte: »Das verstehe ich nicht. . .«

Die Kollegen machten äußerst verdutzte Gesichter, als Polly, auf ihr ungeduldiges Fragen hin, schließlich berichtet hatte. Einer begann allmählich, sie mit leiser Ironie ins Auge zu fassen: »Daß Léjal dir das Geld zurückschickte, beweist, daß er Lunte roch.«

»Ich wette, daß er die Fuchs gar nicht kennt«, miauzte ein anderer.

»Mit Pilsen hat er dich ganz einfach gefrozzelt.«

»Und mit allerhand anderm auch.«

Polly zitterte überall. »Wenn einer von euch behaupten kann, daß ihm diese ganze Geschichte klar ist, will ich das dümmste Luder sein.«

»Dann bist du's schon.«   - Walter Serner, Das steile P. In: W.S.: Der Pfiff um die Ecke. Zweiundzwanzig Kriminalgeschichten. München 1982 (dtv 1741, zuerst 1925)

Überwachung (2)  Ich streckte  stets zuerst den Kopf durch die Türöffnung hinein und suchte so die Gesamtatmosphäre des Hausflurs mit allen meinen Sinnen aufzunehmen. Ich mühte mich, das Dunkel mit dem Blick zu durchdringen, indem ich das Gesicht ein paarmal hin und her drehte, es war eine fast bohrende Bewegung: der Flur war vollkommen lichtlos, auch das um eine Biegung liegende Fenster auf dem ersten Treppenabsatz ließ keinen Schimmer herein: es mußte also auf einen dunklen Hinterhof führen. Gleichzeitig - während ich mit angehaltenem Atem horchte - roch ich in den Hausflur: ich schnüffelte ... es waren da die üblichen Schwelgerüche von Kohle, die kühle salpetrige Ausdünstung alter Wände, die unter abblätternder Ölfarbe hervorkroch: ich sah den Flur schon vor mir, ehe ich Licht machte. Vielleicht witterte ich auch etwas von unappetitlichen Speisegerüchen, die aus den Wohnungen kamen und hier unten sich mischten wie in einem Trog; und ich bemerkte kein Anzeichen von Zigarettenrauch, seit wenigstens einer halben Stunde hatte niemand auf der Treppe geraucht, was bedeutete, daß ich sehr spät am Platz war. - All dies hatte ich schon wahrgenommen und registriert, wenn mein Körper bis zum Hals noch draußen im Freien war, beide Schultern dem Holz der Türflügel angepreßt, und die gekrümmte Rückseite über das Trottoir gereckt, leicht breitbeinigen Stands, damit ich auf dem Schneematsch nicht den Halt verlöre. - So überwachte ich den Hausflur länger als eine Minute ... und einmal, ich erinnerte mich, wurde ich in dieser Stellung überrascht. Jemand tippte mir mit dem Zeigefinger hart auf die Wirbelsäule, es ähnelte einem Morsezeichen. Ich schrak zusammen, denn ich hatte keinen Schritt gehört.   - (ich)

Überwachung (3)  Es war unmöglich, jemand dingfest zu machen. In der dreimal verfluchten Wohnung Nr. 50  wohnte zweifellos jemand. Am Telefon meldete sich bald eine klirrende, bald eine näselnde Stimme, manchmal stand das Fenster offen, ja, man hörte sogar gelegentlich Grammophonklänge. Aber jedesmal, wenn man eindrang, war niemand da. Und man war schon des öfteren zu verschiedenen Tageszeiten hier eingedrungen. Damit nicht genug, hatte man die Wohnung mit einem Netz durchkämmt und alle Ecken geprüft. Auf die Wohnung hatte man schon lange Verdacht. Man bewachte nicht nur den Weg, der durch das Tor in den Hof führte, sondern auch die Hintertreppe. Obendrein stand auf dem Dach bei den Schornsteinen eine Wache. Ja, in der Wohnung Nr. 50 ging es nicht mit rechten Dingen zu, und dagegen war nichts zu machen.

So stand es bis Freitag mitternacht, als Baron Maigel in Abendanzug und Lackschuhen feierlich die Wohnung betrat. Man hörte, wie er eingelassen wurde. Genau zehn Minuten später drang man in die Wohnung ein, ohne zu klingeln, aber man fand weder die Gastgeber vor noch, und das war ganz seltsam, die geringste Spur von Baron Maigel. - (meist)

Überwachung (4)

Überwachung (5)  

Paranoia, gesunde Sicherheit

 

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Beobachtung
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