Tote, kimmerische    Zweifel bestehen noch darüber, was mit den Toten der Kimmerier geschehe; nach dem letzten Stand der Forschung können wir das Problem nun zumindest teilweise klären. Die Toten geben keinen Ton von sich; und da sie sich, wie es die Leichen zu tun pflegen, zumeist in horizontaler Lage befinden, sind sie auch nicht leicht zu erspähen; sie bleiben nämlich überall liegen, wo sie der Tod überrascht, denn sie bekommen kurze Krankheiten und leben nicht gern in kleinen, gleichbleibenden Gruppen, die aus Liebe oder aus Gewohnheit zusammenhalten; mit anderen Worten, sie sterben allein. Aber die Natur der Nacht bewirkt, daß die vom Leben befreiten Körper nicht nach Verwesung riechen und nicht vermodern; sondern sie verwandeln sich allmählich in eine trockene, holzige, schruntige Materie; weswegen die Behauptung nicht unbegründet erscheint, die Kimmerier würden sich nach dem Tod in etwas Pflanzliches verwandeln; obwohl wir nicht in der Lage sind zu sagen, ob das, was geschieht, bei allen gleichermaßen geschieht. Also eines scheint sicher zu sein, daß es nämlich dort keine Bestattung gibt; die Toten liegen auf der Erde und, wer beim Gehen über einen stolpert, schiebt ihn höchstens mit dem Fuß beiseite, so daß sich da und dort Leichenhaufen bilden.   - Giorgio Manganelli, Kometinnen und andere Abschweifungen. Berlin 1997
 

Tote Kimmerier

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