Stephen Hawking, Eine kurze Geschichte
der Zeit. Reinbek bei Hamburg 1991 (zuerst 1988)
Teilchen
(2) Die klassische
Theorie birgt trotz ihrer großartigen Pracht gravierende Schwierigkeiten. Letztlich
ist der Grund dafür, daß zwei Arten von physikalischen
Objekten
koexistieren müssen: Teilchen, die jeweils durch eine kleine endliche
Anzahl (sechs) von Parametern (je drei für Ort und Impuls) beschrieben werden,
und Felder, die unendlich viele Parameter erfordern. Diese Dichotomie
ist eigentlich physikalisch nicht konsistent. Damit ein System aus Teilchen
und Feldern im Gleichgewicht ist (das heißt, "sich
voll und ganz etabliert hat"), muß die gesamte Energie der Teilchen auf die
Felder übergehen. Das folgt aus der sogenannten Gleichverteilung der Energie:
Im Gleichgewicht verteilt die Energie sich gleichmäßig auf alle Freiheitsgrade
des Systems.
Da die Felder unendlich viele Freiheitsgrade
besitzen, bleibt für die armen Teilchen überhaupt nichts mehr übrig! - Aus: Roger Penrose, Computerdenken. Des Kaisers neue Kleider oder Die
Debatte um Künstliche Intelligenz, Bewußtsein und die Gesetze der Physik. Heidelberg
1991, zuerst 1989
Teilchen
(3)
Versteht
ihr nicht, daß ein festes, entschlossenes Streben zur Wahrheit nicht nur zum
Leben nötig ist, sondern auch, um die Würde zu wahren? Seht nur, wie unaufhörlich
die große, unerbittliche Wirklichkeit, das dunkle Element,
diejenigen demaskiert und kompromittiert, die sich mit Gewalt in ihrem Teilchen
verschließen wollen — die Lüge erschlägt sie auf der Stelle. Was ist das aber
auch für eine unverschämte Lügerei! Was für ein zynischer und dummer Blödsinn!
Ein Teilchen von uns kann niemals wir sein; es ist entweder schlechter als wir,
dann sind wir besser; oder aber es ist besser als wir, dann sind wir schlechter.
Unsere Werke kompromittieren uns immer, entweder weil sie besser, oder weil
sie schlechter sind als wir. Wir lassen ein Wort, ein Buch, ein Werk, einen
Ausdruck fallen, der nicht der unsere ist, etwas Zufälliges, die Resultante
von tausenderlei Faktoren, und erst danach passen wir uns ihm mit Gewalt an,
erschaffen wir uns eine Wirklichkeit auf der Grundlage des Teils, damit es uns
erschaffe. Daher rühren im Laufe der Geschichte die verblüffenden Wunderlichkeiten
der höheren Gesellschaftsschichten, jene Reifröcke, Pumphosen, Fräcklein und
Troddeln der Intellektuellen, die sich vom Teilchen nasführen ließen. Seht euch
das Volk an, das, der Erde kaum entwachsen, dem Teilchen nicht in diesem Maße
gehuldigt hat — wieviel weniger als ihr hat es sich im Laufe der Geschichte
lächerlich gemacht. Das gute selige Volk war immer relativ nüchtern und normal,
nur die Intelligenz flatterte, rittlings auf dem Teilchen, grotesk an der Zimmerdecke.
- (
fer
)
Teilchen
(4) Gegenwärtig sind die einzigen
Teilchen, die insofern elementar zu sein scheinen, als sie nicht aus kleineren
Komponenten zusammengesetzt zu sein scheinen, die Leptonen (Elektron, Myon,
Neutrino, das massereiche Tau-Lepton mit den zugehörigen Antiteilchen) und die
Quarks. Quarks sind geometrische Objekte, die mit quantisierten Kombinationen
physikalischer Eigenschaften gleichgesetzt werden, nicht unähnlich den platonischen
oder regelmäßigen Körpern, die den Elementen der Griechen entsprachen. Die sechs bekannten oder vermuteten Quarks werden nach ihren "Flavors"
unterschieden, die u (up), d (down), c (charm), s (stränge), t (truth) und b
(beauty) genannt werden. Jeder Flavor kommt in den drei Grundfarben Rot, Gelb
und Blau vor. Die Verwendung von Eigenschaften zur Beschreibung numerischer
Parameter ist ebenfalls recht alt: es erinnert an die zehn himmlischen Stämme
der Chinesen.
Quarks binden sich zu zweit oder dritt zu Hadronen; das ist der Sammelname für alle Teilchen, die keine Leptonen sind. In der Quarkbeschreibung ist ein Proton zum Beispiel ein uud Triplett. Jedes Quark hat auch eine yon drei starken Wechselwirkungsladungen, die nach den drei Grundfarben Rot, Gelb oder Blau benannt sind. Jedes Quark hat sein Antiteilchen, das sogenannte Antiquark.
Man nimmt an, daß alle Bewohner der Teilchenwelt aus verschiedenen Kombinationen der Quarks bestehen; sie ist ein wahrer Zoo, dessen Insassen zahlreicher sind und merkwürdigere Namen haben, als man sich mühelos vorstellen kann. Viele Mitglieder dieses Zoos werden Resonanzen genannt, weil sie so kurzlebig sind, daß sie auf dem Blasenkammerfoto keine Spur hinterlassen und nur als eine Resonanzspitze verschiedener Kurven erkennbar sind.
Der Gedanke liegt nicht so fern, daß es so etwas wie ein Elementarteilchen
gar nicht gibt, weil jedes Teilchen aus anderen besteht.
- (
zeit
)
Teilchen
(5) Belphegor bedeutete sein
Auditorium, daß die Theilchen Materie, die ehemals den Alexander
ausmachten, als er Persien in schändlicher Weise bekriegte, nach seinem Tode
zerflogen und verschiedenen Menschen, Pflanzen und Thieren zu Theil geworden
wären. Er ließ daher seinen Helden unter einer Eiche begraben liegen, seine
Bestandteile in den Baum aufsteigen und zu Eicheln werden, dann unter dieser
Gestalt in den Magen einer Sau hinuntersteigen, von dieser seinen Ausgang nehmen,
einen Fleck düngen, zu Flachs aufwachsen und in dieser Form von einem allen
babylonischen Weibe gebraucht werden, um ein Mäuseloch zu verstopfen. Auf ähnliche
Weise mußte ein andrer Trupp von seinen Bestandteilen eine Reise thun, so ein
dritter und noch mehrere, und jede Reise endigte sich mit einer höchst-unangenehmen
Herberge. - Johann Karl Wezel, Belphegor, nach (
enc
)
Teilchen
(6) Wie wir alle wissen,
vergeht die Zeit. Ob sie genau in der gleichen Weise wiederkehrt, ist zweifelhaft.
Ein Freund von mir, den ich wegen seiner Abwesenheit bisher noch nicht erwähnt
habe, hat mir erzählt, daß sich ein rosa und ein blaues Universum in Teilchen
kreuzt wie zwei Bienenschwärme, und sobald ein Paar unterschiedlich gefärbter
Bienen aufeinanderstößt, geschieht ein Wunder. Dies alles hat irgendwie mit
der Zeit zu tun, obwohl ich es wahrscheinlich kaum folgerichtig erklären kann.
- (
hoer
)