zepter Wir
küßten uns sanft. Ihrem Kuß war zu
meiner ekstatischen Verlegenheit eine recht komische flatternde
und forschende Kunstfertigkeit zu eigen, aus der ich entnahm,
daß sie in sehr jungen Jahren von einer kleinen Lesbierin in
die Lehre genommen worden war. Kein Charlie hätte ihr das beibringen
können. Als wollte sie sehen, ob ich zufrieden sei und meine
Lektion gelernt hätte, bog sie sich zurück und musterte mich.
Ihre Wangen waren gerötet, ihre volle Unterlippe glänzte, und
ich war nah am Verströmen. Plötzlich legte sie in einem Ausbruch
rüpelhafter Lustigkeit (Kennzeichen des Nymphchens!)
den Mund an mein Ohr
- aber eine ganze Weile konnte mein Verstand den heißen Donner
ihres Geflüsters nicht in Worte gliedern, und sie lachte, strich
sich das Haar aus dem Gesicht und versuchte es wieder, und als
mir klar wurde, was sie vorschlug, überkam mich allmählich das
seltsame Gefühl, in einer absolut neuen, verrückt neuen Traumwelt
zu leben, in der alles erlaubt ist. Ich sagte, ich wisse nicht,
welches Spiel sie und Charlie gespielt hätten. «Willst du etwa
behaupten, du hast nie...?» Ihr Gesicht verzog sich zu einer
Grimasse angewiderter Ungläubigkeit. «Du hast nie...», begann
sie von neuem. Um Zeit zu gewinnen, beschnüffelte ich sie ein
bißchen. «Laß das gefälligst», winselte sie näselnd und entzog
ihre braune Schulter hastig meinen Lippen. (Es war sehr merkwürdig,
wie sie - und das noch lange Zeit hindurch - alle Liebkosungen
außer Küssen auf den Mund und dem schlichten Liebesakt — für
«romantischen Quatsch» oder «unnormal» hielt.)
«Du behauptest», beharrte sie und kniete sich über mich, «du
hast es als Junge nie gemacht?» «Nie», antwortete ich ganz wahrheitsgetreu.
«Na gut», sagte Lolita, «dann fangen wir mal an.» Indessen werde
ich meine gebildeten Leser nicht mit
einem ausführlichen Bericht über Lolitas Dünkel langweilen. Es
genügt zu sagen, daß ich in diesem schönen, eben erst reifenden
jungen Mädchen, das von der modernen
Koedukation, den jugendlichen Sitten, dem Lagerfeuerschwindel
und so fort total und unrettbar verdorben worden war, keine Spur
von Schamhaftigkeit entdeckte. Sie betrachtete
den schlichten Akt als festen Bestandteil der heimlichen Jugendwelt,
von der Erwachsene nichts wissen. Was die Erwachsenen zum Zweck
der Zeugung trieben, war nicht
ihre Sache. Das Szepter meines Lebens wurde von Lolitalein auf
so energische, sachliche Weise gehandhabt, als sei es ein fühlloser
Mechanismus ohne Beziehung zu mir. So bemüht sie auch war, mir
mit den Umgangsformen abgebrühter Jugendlicher zu imponieren,
so war sie doch auf gewisse Unterschiede zwischen den Maßen eines
Knaben und meinen nicht gefaßt. Nur Stolz hinderte sie, es aufzugeben;
denn in meiner sonderbar heiklen Lage spielte ich den absolut
Dummen und ließ sie gewähren - wenigstens solange ich es noch
aushalten konnte. - (
lo
)
Szepter (2)
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