tutzen  »Du nennst mich ›liebes Kind‹?« rief sie, indem sie mich stürmisch umfing und ihren Mund an meinem Hals vergrub. »Ah, das ist köstlich! Das ist viel besser noch als ›süße Hure‹! Das ist viel tiefere Wonne als alle, die du Liebeskünstler mir angetan! Ein kleiner nackter Lifttreiber hegt bei mir und nennt mich ›liebes Kind‹, mich, Diane Philibert! C'est exquis... ça me transporte! Armand, chéri, ich wollte dich nicht kränken. Ich wollte nicht sagen, daß du besonders dumm bist. Alle Schönheit ist dumm, weil sie ganz einfach ein Sein ist, Gegenstand der Verherrlichung durch den Geist. Laß dich sehen, ganz sehen, - hilf Himmel, bist du schön! Die Brust so süß in ihrer weichen und klaren Strenge, der schlanke Arm, die holden Rippen, eingezogenen Hüften, und ach, die Hermes-Beine ...«

»Aber geh, Diane, das ist nicht recht. Ich bin es doch, der alles Schöne in dir ...«

»Unsinn! Das bildet ihr euch nur ein. Wir Weiber mögen von Glück sagen, daß unsere runden Siebensachen euch so gefallen. Aber das Göttliche, das Meisterstück der Schöpfung, Standbild der Schönheit, das seid ihr, ihr jungen, ganz jungen Männer mit den Hermesbeinen. Weißt du, wer Hermes ist?«

»Ich muß gestehen, im Augenblick -«

»Céleste! Diane Philibert macht Liebe mit einem, der von Hermes nie gehört hat! Wie das den Geist köstlich erniedrigt! Ich will dir sagen, süßer Tropf, wer Hermes ist. Er ist der geschmeidige Gott der Diebe!«

Ich stutzte und wurde rot.   - Thomas Mann, Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Frankfurt am Main 1965 (Fischer-Tb. 639, zuerst 1954)

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