tutenschwanz Don
Gianni gebot der Gevatterin Gemmata, sich so nackt
auszuziehen, wie sie auf die Welt gekommen sei, und stellte sie auf Händen und
Füßen so auf die Erde, wie die Stuten stehen. Dabei befahl er ihr, ebenfalls
kein Wort zu sprechen, was auch geschehen möge. Nun begann er ihr mit den Händen
über das Gesicht und den Kopf zu streichen und murmelte dabei: „Dies werde ein
schöner Stutenkopf." Dann, ihr Haar berührend: „Dies werde eine schöne
Stutenmähne!" Ihre Arme fassend: „Dieses werden schöne Beine und Füße einer
Stute!" Als er aber ihre Brüste berührte, die
herrlich fest und rund waren, erwachte und erhob sich einer, der nicht gerufen
war, während Don Gianni flüsterte: „Dies werde ein schöner Stutenleib!"
Ebenso verfuhr er mit Rücken, Bauch und Kreuz, mit Schenkeln und Beinen. Schließlieh,
als nichts andres mehr geblieben war als der Schwanz, hob er blitzschnell sein
Hemd, ergriff den Pflanzstock, mit dem er Menschen zu pflanzen pflegte, und
sprach, indem er diesen schnell in die dafür gemachte Furche
steckte: „Und dies werde ein schöner Stutenschwanz!" Gevatter Pietro, der
bis dahin alles mit größter Aufmerksamkeit verfolgt hatte, rief, als er dieses
letzte sah, das ihm durchaus nicht gefiel: „He! Don Gianni, ich will keinen
Schwanz! Ich will keinen Schwanz!" Jedoch war der Wurzelsaft, nach dem
alle Pflanzen gedeihen, bereits verströmt, als Don Gianni den Pflanzstock zurückzog
und ausrief: „Wehe, Gevatter Pietro, was hast du getan! Habe ich dir nicht gesagt,
daß du keinen Laut von dir geben dürftest, was immer du auch sehen möchtest?
Die Stute war fast fertig. Du aber hast durch dein Dazwischenreden alles zerstört,
denn jetzt gibt es keine Möglichkeit mehr, es je noch einmal zu machen."
Gevatter Pietro sagte: „Auch gut; ich wollte eben keinen solchen Schwanz haben.
Warum sagtet Ihr nicht zu mir: .Mach du ihn!' Außerdem habt Ihr ihn viel zu
tief angesetzt!" Don Gianni erwiderte: „Weil du ihn das erstemal nicht
so gut anzusetzen gewußt hättest wie ich." Als die junge Frau diese Worte
hörte, stand sie auf und sagte in aller Unschuld zu ihrem Mann: „Ach, du Schafskopf!
Warum hast du deinen und meinen Vorteil auf diese Art zerschlagen? Hast du je
eine Stute ohne Schwanz gesehen?
" - Das Dekameron des Giovanni Boccaccio, Berlin und Weimar 1975 (zuerst um 1350)
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