tierkampf  Barcelona. 18. April 1926. Sonntag Stiergefecht. Widerwärtiger, ertötender Eindruck trotz des bunten, wild lebendigen, grandiosen Bildes. Empörend und ekelhaft die Abschlachtung der altersschwachen, hilflosen alten Pferde, denen die Gedärme aus dem Leib gerissen werden und die mit blutigen, aus dem Bauch herausquellenden Fetzen noch sporniert werden. Auch der Stier, der als schöner, junger, rassiger hereinkommt und nach einer halben Stunde als totes Fleischstück hinausgeschleppt wird, erregt bei mir nur Ärger und Mitleid. Dafür, daß immer wieder der Tod hilfloser Tiere, denen keine Chance gegeben wird, zur Sonntagsbelustigung einer rohen Menge herhalten muß, entschädigt auch der bunteste, flimmerndste Anblick nicht. Ich wurde immer müder und abgespannter. Schließlich war ich wie mit einem Beil vor den Kopf geschlagen, innerlich ganz apathisch und bis zum Rande mit Ekel gefüllt. Der ganze Abend war wie das Erwachen von einem schweren, betäubenden Rausch.  - Harry Graf Kessler, Tagebücher 1918 bis 1937. Hg. Wolfgang Pfeiffer-Belli. Frankfurt am Main 1982 (it 659)

Stierkampf (2) Was ist überhaupt die »Tauromachie« ? Was verleiht eigentlich der spanischen Corrida jene spezifische Würde, die kein anderes taurinisches Spiel (zum Beispiel der portugiesische, provenzalische oder landesische Wettkampf) für sich beanspruchen kann, auch wenn es für die Ausführenden mit durchaus äquivalenten Risiken, ausgenommen die feierliche Exekution, verbunden ist? Inwiefern ist der Stierkampf, um es kurz und knapp zu sagen, etwas anderes und viel mehr als ein Sport? Falls einerseits die Attraktion der Corrida einzig darin bestünde, daß man dabei Individuen zusieht - und ganz besonders dem, der zu töten die Aufgabe hat, dem Matador -, die nach einem ganz bestimmten Regelkodex lebensgefährliche Drehfiguren ausführen, wäre nicht zu verstehen, warum sie in uns tiefere Anklänge finden sollte als irgendeine andere Sportart oder gefährliche Übung, wie zum Beispiel die Glanznummer eines Akrobaten oder das erschreckende Dahinbrausen eines Rennwagens über die Härte einer Zementpiste. Der Olé-Ruf - zu einem viszeralen Gewirr anschwellend - einer spanischen Menschenmasse genügt aber, um uns davon zu überzeugen, daß bei jeder Corrida eine Dimension finsteren Ernstes aufkommt, die kein anderer waghalsiger Versuch den Tod zu überlisten, so großartig er auch als ganzer oder in seinen Einzelheiten sein mag, erreichen kann.

Stierkampf

Es ist ganz klar, daß die Komponente, die der Leistung des Toreros, im Unterschied zu allen anderen physischen Kunststücken, die sich bestimmten Regeln beugen und bei Gefahr eines folgenschweren Unfalls ausgeführt werden, ihren einzigartigen Wert verleiht, eine wesentlich »tragische« ist. Jede Handlung der Corrida dient letztlich dazu, technisch oder zeremoniell, die öffentliche Hinrichtung des Helden vorzubereiten, der ja kein anderer ist als ein tierischer Halbgott, der Stier. - Michel Leiris, Spiegel der Tauromachie, eingeleitet durch Tauromachien. Mit Zeichnungen von André Masson. München 1982 (entstanden 1937)

Stierkampf (3)

Corrida!

- Siné

Stierkampf (4) Im ganzen stellt sich die Corrida zunächst einmal als eine Art mystisches Drama dar, dessen Thema das folgende ist: das Tier erst gebändigt, dann getötet durch den Helden. Die Augenblicke, durch die das Göttliche hindurchgeht, — wenn die Empfindung einer beständig abgelenkten und wieder aufgegriffenen Katastrophe ein Schwindelgefühl erzeugt, in dessen Tiefe Entsetzen und Genuß zusammenfallen - sind jene, wo der Torero mit dem Tode spielt, ihm nur durch ein Wunder entgeht, ihn bezaubert; dadurch wird er zum Heros, und die Menge sieht sich in ihm verkörpert, sie gelangt durch seine Stellvertretung zur Unsterblichkeit, zu einer Ewigkeit, die um so berauschender ist, als sie nur an einem Faden hängt.

Was nun das TIER betrifft, so hat man den Eindruck, es sei schicksalhaft verurteilt, umgeben von der verschworenen Gemeinschaft - oder der Kommunionsgemeinde - der Zuschauer, die alle an diesem Mord teilhaben, die den Töter mit Beifall oder Hohn überschütten, je nachdem ob er groß genug ist oder nicht, um ihnen eine Identifikation mit ihm zu ermöglichen, ihn mit ihren »Ole«-Rufen anfeuern, nicht zur Belohnung, sondern als Beistand, wie man ihn etwa mit Geheul einer Frau bei der Niederkunft leisten könnte.  - (leiris3)

Stierkampf (5)  Drei Phasen der Corridas fesselten sie: die erste, wenn der Stier wie eine große Ratte aus dem Toril hervorgeschossen kommt, die zweite, wenn seine Hörner bis zum Schädel in die Flanke einer Stute tauchen, die dritte, wenn die absurde Stute durch die Arena galoppiert, im falschen Augenblick ausschlägt und, zwischen ihren Beinen ein Bündel von Eingeweiden in den widerlichsten Farben, weiß, rosa und perlmuttergrau, fallen läßt. Und wenn dann die platzende Blase mit einemmal eine Lache von Urin auf den Sand ausströmen ließ, dann bebten Simones Nasenflügel. - (obs)
 

Stier Kampf Ritual Tierleben
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