öten  Plötzlich würdevoll und ein wenig verdrossen, machte er sich daran, die breite Treppe hinaufzugehen, und ich wechselte meinen Standort, ohne ihm die Stufen hinauf zu folgen, und feuerte drei- oder viermal in schneller Folge und verwundete ihn bei jedem Schuß; und jedesmal, wenn ich es ihm antat, wenn ich ihm dies Schreckliche antat, zuckte sein Gesicht so clownhaft grotesk, als übertreibe er den Schmerz; er ging langsamer, verdrehte die Augen, schloß sie halb und stieß ein weibisches «Hach!» aus, und jedes Mal, wenn eine Kugel ihn traf, erschauerte er, als hätte ich ihn gekitzelt, jedes Mal, wenn ich ihn mit diesen meinen langsamen, klobigen, blinden Kugeln traf, sagte er mit verhaltenem Atem und affektiertem britischem Akzent - während er die ganze Zeit gräßlich zuckte, zitterte, grinste - in merkwürdig unbeteiligter und geradezu liebenswürdiger Art: «Ach, das tut weh, Sir, genug! Das tut grauenhaft weh, lieber Herr. Ich bitte Sie, halten Sie ein. Hach - sehr, sehr schmerzhaft fürwahr... Gott! Hach! Das ist fürchterlich, hach, Sie sollten wirklich nicht...» Seine Stimme verlor sich, als er den Treppenabsatz erreichte, aber all dem Blei zum Trotz, das ich in seinen gedunsenen Körper gefeuert hatte, ging er festen Schrittes weiter - und mit hilfloser Fassungslosigkeit wurde mir klar, daß ich nicht nur weit entfernt war, ihn zu erledigen, sondern dem armen Teufel Energiespritzen verabfolgt hatte, ganz als wären die Kugeln Kapseln gewesen, in denen ein berauschendes Jugendelixier spielte.

Ich lud das Ding von neuem, mit Händen, die schwarz und blutig waren - ich hatte etwas angefaßt, das er mit seinem dicken Saft beschmiert hatte. Dann eilte ich zu ihm hinauf, und die Schlüssel klimperten in meiner Tasche wie Gold.

Majestätisch blutend trottete er von Zimmer zu Zimmer, suchte nach einem offenen Fenster, schüttelte den Kopf und versuchte immer noch, mir den Mord auszureden. Ich zielte auf seinen Kopf, und mit einer königlich purpurnen Effusion dort, wo sein Ohr gewiesen war, zog er sich in sein Schlafzimmer zurück.

«Raus, raus hier», sagte er hustend und spuckend; und in einem Alptraum des Staunens sah ich diesen blutbesudelten, aber noch immer quicklebendigen Menschen sich ins Bett legen und in ein Chaos von Laken und Decken wickeln. Ich schoß aus nächster Nähe durch die Wolldecken, und dann legte er sich zurück, eine jugendlich wirkende große rosa Blase bildete sich auf seinen Lippen, wuchs zur Größe eines Luftballons an und zerplatzte. - (lo)

Töten (2) Der Mensch, der tötet, schließt sich gewissermaßen aus der menschlichen Gesellschaft aus. Von einer Minute zur anderen hört er auf, ein Mensch wie die anderen zu sein. Er möchte sich aussprechen, sagen, daß... Viele Worte liegen ihm auf den Lippen, aber er weiß, es hat keinen Sinn. Es wird ihn niemand verstehen. Selbst die wahren Mörder, die Professionellen, empfinden so. Sie zeigen sich aggressiv und sarkastisch, weil sie angeben wollen, weil sie sich einreden, noch Menschen zu sein.   - Georges Simenon, Maigret und der Mörder. München 1971 (Heyne Simenon-Kriminalromane 115, zuerst 1969)

Töten (3)  Ich hatte im Garten meine Salonpistole in der Hand. Die Waffe macht den Menschen böse. Kam eine Katze den Mauerfirst entlang. Ich schoß. Die Katze blieb zuerst regungslos, dann sank sie in sich zusammen; dann packte ein Zittern sie; dann fiel sie plötzlich von der Mauer auf den Rücken in den Sand der Allee. Einen Augenblick lang kämpfte sie noch, trat verzweifelt mit den Hinterbeinen in die Luft, ihr Schwanz schlug langsam hin und her, sie wurde steif. . . Der Tod eines Tieres ist menschlich. - (gon)

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