pielhölle Ich betrete also die Spielhölle. Oder vielmehr: ich bin bereits in der Spielhölle. Ich kenne sie seit jeher. Ich sitze am Würfeltisch, und um mich herum befinden sich eine Katze, ein Seehund, eine Uhr und eine etwas abgewetzte karierte Fahne - eine vom Leben gebeutelte Fahne. Man spielt, die winzigen Würfel fliegen nur so, und die Puppe erteilt mir Ratschläge und Faustschläge. Setz' jetzt. Gib jetzt acht. Ich verliere meine Arme und Beine, die in einer Ecke gestapelt werden, dann gewinne ich sie wieder zurück und verliere ein Auge und ein Ohr. Dann fange ich an zu gewinnen: den Schnurrbart des Seehunds, den Schwanz der Katze, alle ungeraden Zahlen der Uhr. Die Uhr wird trotz ihres Berufs sehr zornig, sie kann nicht verlieren. Der Seehund gewinnt ihr Räderwerk, und mit Mühe gelingt es der Uhr - die jetzt aus wenig mehr als ihrem Gehäuse besteht -, eine Katzenpfote zu gewinnen, die sie dem Seehund im Tausch gegen die Hälfte des Räderwerks überläßt. Aber dann gewinne ich das Räderwerk und verliere es an den Seehund; danach lassen die Würfel mich wieder im Stich. Ich verliere meine Beine, meine Arme und meine Augen. Ich frage die Puppe: wäre sie, wenn ich alles verlöre, bereit sich selbst einzusetzen? Die Puppe sagt nein. Aber das Spiel ist zuende.

»Hier hast du deine Beine und deine Augen und den Rest«, sagt der Scharlatan.

»Aber ich habe doch verloren«, sage ich.

»Das ist schwer zu erklären. Natürlich hast du verloren. Aber diese Dinge werden dir als Pfand wiedergegeben. Du hast sie, aber du darfst dir nicht einbilden, daß sie dir gehören. Du weißt, daß du zwischen dem Seehund, der Katze und der Uhr verteilt bist, auch wenn die Uhr ihrerseits zwischen ... etc. Verstehst du? Alles, was ihr habt, und alles, was ihr seid, ist Pfand. Nichts anderes als Pfand. Und das bedeutet, daß du gegenwärtig weder deine Beine noch deine Augen oder deine Arme verspielen kannst.« - (hoelle)

Spielhölle ⁽²⁾

- N. N., Booklet for: Rolling Stones, Voodoo Lounge (1994)